Fachkräftemangel: Pflegenotstand nicht zu leugnen - oder doch?

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Interview mit Guy Hofmann am 18.08.2019:
Telefon-Interview mit Guy Hofmann, Initiator/Organisator des Aktionsbündnisses "Pflege-am-Boden", (www.pflege-am-boden.de) am 18.08.2019. Hintergrund ist seine Tätigkeit als Pflegefachkraft bei einer Leiharbeitesfirma und seine Kündigung, weil er Schwachstellen in Kliniken gemeldet hat. Mehr dazu im Interview selbst. Interview: Reinhard Leopold, www.biva.de, www.heim-mitwirkung.de

Siehe dazu auch [Die Brigitte-Heinisch-Story >>]

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Pfleger äußert Kritik – und wird gefeuert

Ganz Deutschland spricht über den Pflegenotstand, doch wenn das auch ein Pfleger macht, muss er um seinen Job fürchten. Das ist jedenfalls Guy-Harald Hofmann passiert, der von einem Tag auf den anderen von den Ruppiner Kliniken vor die Tür gesetzt wurde.

Das verstehe, wer will: Seit Jahren klagen nicht allein die Ruppiner Kliniken, sondern viele Krankenhäuser in Deutschland über den Mangel an Ärzten und Pflegern. Dennoch hat das Neuruppiner Krankenhaus jetzt einen sogenannten Leihpfleger schon nach vier Tagen vor die Tür gesetzt – obwohl dieser für mindestens zwei Monate in den Ruppiner Kliniken arbeiten sollte.

Vor die Tür gesetzt wurde Guy-Harald Hofmann nicht etwa, weil er Patienten vernachlässigt hat. Nein, der 59-Jährige hatte es sich erlaubt, in seiner Freizeit mit Reportern der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) über den Notstand in der Pflege in Deutschland zu sprechen. Am Tag, als der Beitrag erschien, erhielt Hofmann einen Anruf von seinem Arbeitsvermittler aus Essen, dass er in Neuruppin nicht mehr gebraucht werden würde.

„Ich war völlig überrascht“, so Hofmann. Schließlich habe er bei dem Gespräch mit den Journalisten keine Betriebsgeheimnisse ausgeplaudert, sondern lediglich erzählt, „was ich schon alles erlebt habe“, sagte Hofmann am Montag.

Der fünffache Familienvater, der aus der Nähe von Osnabrück stammt, hat einige Erfahrung. Zwölf Jahre arbeitete der Gesundheits- und Krankenpfleger in einer Klinik in Herdecke im Ruhrgebiet und war dort auch im Betriebsrat, ehe er für eineinhalb Jahre in Norwegen und zuletzt in Süddeutschland tätig war.

Doch bei der Geschäftsführung der Ruppiner Kliniken kam der MAZ-Beitrag über die Pflegesituation nicht gut an: Weil in dem Artikel stand, dass Hofmann im Neuruppiner Krankenhaus arbeitet und er als Leihpfleger dort etwas mehr Geld als das Stammpersonal erhält, „sind wir davon ausgegangen, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Leasingkraft nicht mehr möglich ist und baten um Ersatz“, teilte Kliniksprecherin Verena Clasen mit.

Es wurde „etwas überreagiert“, sagte Gesamtbetriebsrat Andreas Schnee von der Klinik-Holding. Auch Jana Kretschmer, Betriebsrätin des Krankenhauses, sprach am Montag von einer „unglücklichen Situation“. Dabei sei es wichtig, darauf hinzuweisen, wie schwierig derzeit die Lage für Pflegekräfte angesichts der immer älter werdenden Bevölkerung sei.

„Wir suchen Pflegekräfte“, betonte Jana Kretschmer. Dass Hofmann sich aber für den MAZ-Beitrag auf dem Klinikgelände habe fotografieren lassen und zudem erzählt habe, dass er als Leihpfleger etwas mehr Geld verdiene als andere Pflegekräfte, das sei auch bei einigen Mitarbeitern nicht so gut angekommen.

„Wir müssen lernen, damit wir es beim nächsten Mal besser machen“, so Kretschmer. Denn die Betriebsräte seien selbstverständlich auch für die Leihkräfte und ihre Probleme zuständig. In den Ruppiner Kliniken sind derzeit mehr als 530 Pflegekräfte tätig, darunter 15 Leihpfleger. Auf dieses Angebot von Personalvermittlern greift das Neuruppiner Krankenhaus schon seit 2017 zurück, um die Personalnot in der Pflege zu lindern.

Guy-Harald Hofmann hat mit einem offenen Brief auf der Internetplattform Facebook auf das Beenden seiner Tätigkeit bei den Ruppiner Kliniken reagiert. In dem Brief, der sowohl an Klinikgeschäftsführer Matthias Voth als auch an Landrat Ralf Reinhardt (SPD) als Aufsichtsratsvorsitzenden der Klinik-Holding gerichtet ist, spricht Hofmann von einer „Einschränkung der freien Meinungsäußerung“ und bedauert, dass seine fachlichen Hinweise für eine bessere Pflege nicht einmal angehört wurden.

Hofmann hatte wegen des schlechten Zustandes in der Pflegebranche in Deutschland eigentlich auf einen Aufschrei in der Gesellschaft gehofft. Stattdessen wird jetzt viel über seinen offenen Brief und die Reaktion der Klinikgeschäftsführung gesprochen. Dabei sagt auch Manon Cochois von der Gewerkschaft Verdi, dass „die Pflege insgesamt attraktiver“ werden müsse.

Aber solange Hinweise von Pflegekräften ignoriert und diese sogar vor die Tür gesetzt werden, dürfte es noch eine ganze Weile dauern, bis sich an dieser Situation etwas ändert. Hofmann überlegt nun, ob er Deutschland verlässt. „Auch in der Schweiz werden Pflegekräfte gesucht.“

Quelle: https://www.maz-online.de/Lokales/Ostprignitz-Ruppin/Neuruppin/Leihpfleger-spricht-ueber-Pflegenotstand-Neuruppiner-Klinik-schmeisst-ihn-raus - Mit herzlichem Dank an die Chefredaktion!


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phoenix-Studiogespräch mit Prof. Stefan Sell zur Personalsituation in der Pflege am 13.08.19


Quelle: https://youtu.be/Xa1xGzz018M

phoenix-Moderator Stephan Kulle spricht im Studiogespräch am 13.08.19 mit Prof. Stefan Sell über den Personalbedarf und die Personalsituation in der Pflege, Untergrenzen und über die zukünftige Finanzierung.

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Pflege am Limit – warum immer mehr Pflegekräfte in die Leiharbeit wechseln | REPORT MAINZ, 28.05.2019


Durch attraktivere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung zieht es nach REPORT MAINZ Recherchen immer mehr Pflegekräfte in die Leiharbeit. Sie kündigen feste Stellen und wechseln bewusst zu Personaldienstleistern.
Quelle: https://www.reportmainz.de | https://www.facebook.com/reportmainz/ | https://twitter.com/reportmainz | https://youtu.be/lOJsvHIa6IU


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Die dunkle Seite der Zeitarbeit Doku
ZDFzoom, 15.05.2019

Gesetzlich sei alles gut geregelt, viele Zeitarbeits-Unternehmen würden diese Regeln aber umgehen, klagen Beschäftigte in der Zeitarbeitsbranche. Und es gebe zu wenige Kontrollen, um die schwarzen Schafe zu bestrafen.

In Deutschland kann jeder eine Zeitarbeitsfirma gründen. Spezielle Fachkenntnisse sind nicht erforderlich. Es gibt mehr als 52 000 Verleihbetriebe, und in den meisten werde auch ordentlich gearbeitet, sagt Manuela Schwarz, die selbst Chefin eines Zeitarbeitsunternehmens und zudem im Bundesvorstand des Branchenverbandes IGZ tätig ist: "Unternehmen sollen so flexibler mit Schwankungen der Auftragslage umgehen können. Zeitarbeit habe sich bewährt", sagt sie.

Kritiker wie Professor Klaus Dörre von der Universität Jena sehen das anders: "Zeitarbeit ist ein Beschäftigungsverhältnis, schlecht bezahlt, mit einem hohen Risiko und ohne Chance auf bessere Verhältnisse." Und es gebe viele Missstände, sagt er: "Es geht bis dahin, dass der Lohn nicht gezahlt wird, dass Arbeitsschutzregelungen nicht eingehalten werden, dass Akkordbestimmungen nicht eingehalten werden, und das geht auf Kosten der Gesundheit." Nach Untersuchungen von Dörre ist jeder zehnte Betrieb auffällig. Zudem gibt es Kritik an den Kontrollen in den Verleihbetrieben. Zuständig dafür sind die Bundesagentur für Arbeit sowie der Zoll.

Beate Müller-Gemmeke, Bundestagsabgeordnete der Grünen, hat eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Ihr hat die Regierung geschrieben, dass es 85 Planstellen für Kontrolleure in der Bundesagentur für Arbeit gebe. Das sei viel zu wenig, kritisiert sie: "Ich habe mal ausgerechnet, auf einen Prüfer fallen 615 Verleihbetriebe und rund 12 000 Leiharbeitskräfte. Das ist natürlich eine Riesenzahl, die da geprüft werden soll. Von daher wundert's nicht, dass nachher gerade mal zehn Prozent der Leiharbeitsfirmen geprüft werden können, das heißt, alle zehn Jahre schaut mal jemand vorbei." Die Bundesregierung hingegen hält die Kontrollen für ausreichend. Eine Regelungslücke gebe es nicht.

Quelle: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-die-dunkle-seite-der-zeitarbeit-100.html

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Studie
Pflegekräfte in Bremen arbeiten am Limit
Sabine Doll 11.01.2019

Nach einer Studie der Bremer Arbeitnehmerkammer wird der Fackräftemangel in Kliniken und Pflegeeinrichtungen in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Grund seien die anhaltend schlechten Arbeitsbedingungen.

Pflegekräfte im Land Bremen arbeiten bereits jetzt am Limit – die Bedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen werden sich in den kommenden Jahren aber noch weiter zulasten der Beschäftigten verschlechtern. Zu diesem Befund kommt eine repräsentative Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen.

„Bei den Beschäftigten kommt zu wenig Wertschätzung an“, sagte Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Kammer. „Gesellschaftlicher Respekt drückt sich nicht nur in Zuspruch aus, sondern auch in angemessenen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen. Da sind wir in der Pflege aber noch lange nicht.“ Die aktuelle Auswertung der Kammer für den Gesundheitsbereich basiert auf einer Befragung von Beschäftigten in Bremen aus dem Jahr 2017.

Rund 20 000 sozialversichert Beschäftigte in Bremen und Bremerhaven arbeiten danach in stationären Einrichtungen, 14 000 in Krankenhäusern und 6000 in Alten- und Pflegeeinrichtungen. „Ihre Lage ist von einem bereits jetzt erheblichen Fachkräftemangel geprägt“, betonte der Kammer-Chef. In der Altenpflege kämen derzeit auf einen Arbeitssuchenden vier offene Stellen, in der Krankenpflege sei das Verhältnis eins zu zwei. Im Schnitt dauere es ein halbes Jahr, bis eine Stelle besetzt sei.

Fachkräftemangel wird noch größer

Schierenbeck: „Der Fachkräftemangel wird in den nächsten Jahren noch größer.“ Die Gründe: Mit einer höheren Lebenserwartung steige der Pflegebedarf. Auf der anderen Seite führten die schlechten Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen dazu, dass sich zu wenige junge Menschen für den Pflegeberuf entschieden – und gleichzeitig immer mehr Beschäftigte früher aus dem Beruf ausschieden. So gab laut der Studie fast die Hälfte (45 Prozent) der Befragten an, dass eine Beschäftigung bis zum regulären Renteneintritt nicht möglich sei. „Dabei ist bereits jetzt rund ein Viertel der Beschäftigten in Kliniken und Pflegeheimen über 55 Jahre alt“, so der Kammer-Chef.

Auch in Niedersachsen wird sich der Notstand laut der Pflegekammer des Landes verschärfen: „Bis 2033 werden voraussichtlich 35 bis 43 Prozent der heute in Niedersachsen tätigen Pflegefachpersonen nicht mehr in ihrem Pflegeberuf tätig sein“, sagte Kammer-Präsidentin Sandra Mehmecke in einer Mitteilung zur Vorstellung eines Lageberichts Ende Dezember. Diese Lücke könne durch den Nachwuchs kaum geschlossen werden.

Die Ergebnisse der Befragung in Bremen zeigen laut Schierenbeck deutliche Unterschiede zu anderen Branchen: So sei vor allem in der Altenpflege der Anteil der Teilzeitkräfte überdurchschnittlich hoch, bei den Fachkräften erreiche er einen Spitzenwert von 80 Prozent. Grund dafür seien oft betriebswirtschaftliche Interessen, Teilzeitkräfte könnten zeitlich flexibler eingeteilt und leichter aus arbeitsfreien Zeiten geholt werden. In den Pflegeheimen würden rund ein Viertel der Pflegekräfte gern mehr arbeiten.

Die meisten Pflegekräfte bekommen nur wenig Gehalt

Das hänge auch mit den niedrigen Verdiensten zusammen: „Mehr als die Hälfte bekommt monatlich weniger als 1500 Euro netto“, so der Hauptgeschäftsführer der Bremer Kammer. Im Bundesdurchschnitt bekämen die Beschäftigten in der Altenpflege immer noch 600 Euro weniger als ausgebildete Fachkräfte in den Kliniken. „Das liegt auch daran, dass es in Kliniken noch Tarifstrukturen gibt“, so die Geschäftsführerin und Leiterin der Politikberatung der Kammer, Elke Heyduck.

Die dünne Personaldecke und Arbeitsverdichtung führten dazu, dass vor allem körperliche Belastungen deutlich gestiegen seien: Über 60 Prozent der Beschäftigten in Kliniken und Pflegeheimen gaben dies an, nur vom Baugewerbe mit über 80 Prozent werde der Wert übertroffen. Einen weiteren negativen Spitzenwert liefert die Frage nach Stress und Arbeitsdruck: 88 Prozent in Kliniken und 69 Prozent in Pflegeeinrichtungen gaben an, fast immer oder oft schnell arbeiten zu müssen. Schierenbeck: „Die Folge ist chronischer Zeitmangel. Wenn man diese Zahl als Patient hört, kann einem anders werden.“

Das Sofortprogramm von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), das bundesweit 13 000 zusätzliche Pflegestellen vorsieht, löse den Notstand nicht: „Woher sollen Fachkräfte kommen, wenn schon jetzt offene Stellen nicht besetzt werden können“, sagte Heyduck. Die Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden; das bedeute mehr Vollzeitstellen, bessere Bezahlung sowie bundesweit einheitliche Vorgaben zur Personalbemessung.
Quelle: https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-pflegekraefte-in-bremen-arbeiten-am-limit-_arid,1798060.html

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Pflegepersonal: Überlastungsanzeigen unterdrückt?
NDR Panorama 3 - 23.01.2018 21:15 Uhr


Gefährdungsanzeigen sollen dazu dienen, auf eine Gefahr am Arbeitsplatz hinzuweisen. Genau dieses Mittel wurde einer Pflegerin zum Verhängnis: Sie wurde von der Klinikleitung abgemahnt.
Quelle: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Pflegepersonal-Ueberlastungsanzeigen-unterdrueckt,gefaehrdungsanzeige102.html + https://youtu.be/OYWIvenJEv0


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Die Ursachen des Gesundheitsfachkräftemangels in Deutschland

Oft werden der unvermeidliche demographische Wandel und die absehbare Alterung der deutschen Gesellschaft angeführt, um die Notwendigkeit der Abwerbung aus dem Ausland zu begründen. Der heutige Fachkräftemangel ist aber hausgemacht.

Die wichtigste Ursache liegt in den sich verschlechternden Arbeitsbedingungen in der Pflege. Eine schlechte und in vielen Fällen rückläufige Bezahlung geht mit einer zunehmenden Arbeitsbelastung einher. Es wird versäumt, Personal durch Aus- und Weiterbildung zu gewinnen. Eine kritische Entscheidung war die Einführung der Fallpauschalen 2004 als Instrument der Krankenhausfinanzierung und die damit verbundene Ökonomisierung des Gesundheitssystems.

Deutsche und EU-eigene Fachkräfte sind häufig nicht mehr bereit, die zunehmend schlechten Einkommens- und Arbeitsbedingungen in Deutschland zu akzeptieren. Infolgedessen suchen die Bundesregierung und Arbeitgeber jetzt auf dem Weltmarkt nach Arbeitskräften.

Durch die Öffnung der Grenzen für qualifizierte Fachkräfte wird für die hiesigen Betriebe auch die Möglichkeit geschaffen, Ausbildungskosten einzusparen. Dies stellt einen weiteren Anreiz zur Rekrutierung aus dem Ausland dar und setzt die pflegerischen Ausbildungsgänge in Deutschland weiter unter Druck. Kompensationszahlungen an die Ausbildungssysteme der Herkunftsländer sind notwendig, um hier korrigierend einzugreifen und einer weiteren Verschärfung der Situation entgegenzuwirken.
Quelle: http://www.venro.org, Standpunkt Nr. 6 - 12/2014

admin:
ARD Die Reportage:
Der Arbeitsmarktreport - das Märchen vom Fachkräftemangel
Doku, 2014, Film von Ulrike Bremer


Quelle: https://youtu.be/lFq2aAcf-8s

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