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Infos + Meinungsaustausch (Forum) => Freiheitsentziehende Maßnahmen => Thema gestartet von: admin am 11. Februar 2009, 11:23



Titel: BGH: Freiheitsentziehende Maßnahme bedarf richterlicher Genehmigung
Beitrag von: admin am 11. Februar 2009, 11:23
Bundesgerichtshof zur Pflicht des Trägers eines Pflegewohnheims, die körperliche Unversehrtheit der Heimbewohner zu schützen

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat folgenden Fall entschieden:

Die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin machte gegen die beklagte Trägerin eines Altenpflegewohnheims einen kraft Gesetzes (§ 116 SGB X) übergegangenen Schadensersatzanspruch einer bei einem Unfall verletzten Heimbewohnerin geltend. Die Klägerin ist gesetzlicher Krankenversicherer einer im Jahre 1912 geborenen Rentnerin, die seit 1997 in einem von der Beklagten betriebenen Pflegewohnheim lebt. In den Jahren 1994 bis 1998 hatte die Versicherte sich bei drei Stürzen jeweils erhebliche Verletzungen zugezogen. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Pflegegutachtens ist sie hochgradig sehbehindert, zeitweise desorientiert und verwirrt; ihr Gang ist sehr unsicher. Sie ist der Pflegestufe III zugeordnet. Am 27. Juni 2001 wurde sie in der Zeit der Mittagsruhe in ihrem Zimmer vor ihrem Bett liegend aufgefunden. Sie hatte sich eine Oberschenkelhalsfraktur zugezogen, derentwegen sie stationär und anschließend ambulant behandelt werden mußte.

Die Klägerin war der Auffassung, daß der Unfall auf eine Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen ist. Sie lastete der Beklagten insbesondere an, diese habe es versäumt, die sturzgefährdete Bewohnerin in ihrem Bett zu fixieren, zumindest die Bettgitter hochzufahren. Außerdem hätte die Beklagte der Bewohnerin Hüftschutzhosen (Protektorhosen) anlegen müssen, durch die die Gefahr eines Knochenbruchs bei einem Sturz gemindert worden wäre.

Das Landgericht hat der auf Ersatz der von der Klägerin getragenen Heilbehandlungskosten gerichteten Klage im wesentlichen stattgegeben; das Kammergericht in Berlin hat sie abgewiesen und die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, unter welchen Voraussetzungen ein Pflegeheim für Verletzungen einzustehen hat, die sich ein Heimbewohner während des Heimaufenthaltes zuzieht.

Der III. Zivilsenat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Zwar erwuchsen der beklagten Heimträgerin aus den jeweiligen Heimverträgen Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihr anvertrauten Heimbewohner. Ebenso bestand eine inhaltsgleiche allgemeine Verkehrssicherungspflicht zum Schutz der Bewohner vor Schädigungen, die diesen wegen Krankheit oder einer sonstigen körperlichen oder geistigen Einschränkung durch sie selbst oder durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung des Altenheims drohten. Diese Pflichten sind allerdings begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Maßstab müssen das Erforderliche und das für die Heimbewohner und das Pflegepersonal Zumutbare sein, wobei insbesondere auch die Würde und die Selbständigkeit der Bewohner zu wahren sind.

Im vorliegenden Fall war der Unfallhergang im einzelnen nicht mehr aufklärbar. Das Berufungsgericht hatte es mit Recht abgelehnt, der Klägerin Beweiserleichterungen im Sinne einer Beweislastumkehr zugute kommen zu lassen. Allein aus dem Umstand, daß die Heimbewohnerin im Bereich des Pflegeheims der Beklagten gestürzt war und sich dabei verletzt hatte, konnte nicht auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals der Beklagten geschlossen werden. Darlegungs- und beweispflichtig war vielmehr insoweit die Klägerin als Anspruchstellerin. Nach den Besonderheiten des Falles bestand für das Pflegepersonal insbesondere kein hinreichender Anlaß, die Bewohnerin im Bett zu fixieren, mindestens aber die Bettgitter hochzufahren. In rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung hatte das Berufungsgericht eine schuldhafte Pflichtverletzung auch nicht darin erblickt, daß die Mitarbeiter der Beklagten es unterlassen hatten, der Bewohnerin Hüftschutzhosen (Protektorhosen) anzulegen, durch die die Gefahr eines Knochenbruchs bei einem Sturz gemindert worden wäre. Die Klägerin hatte weder konkret vorgetragen, noch unter Beweis gestellt, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit Verletzungen, wie sie die Bewohnerin erlitten hatte, durch das Tragen dieser Schutzvorrichtung zu verhindern gewesen wären.

Urteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04 [Leitsatzentscheidung herunterladen] (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2005-4&client=12&nr=32719&pos=12&anz=300)

LG Berlin - 28 O 336/02 ./. KG Berlin - 12 U 107/03
Karlsruhe, den 28. April 2005

Quelle: Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle Nr. 68/2005 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2005-4&client=12&nr=32489&linked=pm&Blank=1)



ANMERKUNG: von besonderer Bedeutung:

Zitat
"... Damit aber hätten sie den Charakter von Maßnahmen erhalten, die der - unter Betreuung stehenden - Bewohnerin über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen und deshalb der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht bedurft hätten (§ 1906 Abs. 4 BGB). ..."


Titel: BGH: Freiheitseinschränkende Maßnahmen nur mit richterlicher Genehmigung
Beitrag von: admin am 06. August 2012, 23:13
Zitat
BGH: Fixierung nur mit gerichtlicher Genehmigung
- auch im Falle einer Vorsorgevollmacht!


Der Bundesgerichthof hat m. E. völlig zu Recht in seinem Beschluß vom 27. Juni 2012 XII ZB 24/12 erneut klargestellt, daß das Anbringen von Bettgittern sowie die Fixierung im Stuhl mittels eines Beckengurts freiheitsentziehende Maßnahmen im Sinne des § 1906 Abs. 4 BGB darstellen, wenn der Betroffene durch sie in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt werde. Dieses sei dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, daß der Betroffene zu einer willensgesteuerten Aufenthaltsveränderung in der Lage wäre, an der er durch die Maßnahmen gehindert werde. Das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen werde nicht dadurch verletzt, daß die Einwilligung eines von ihm Bevollmächtigten in eine freiheitsentziehende Maßnahme der gerichtlichen Genehmigung bedürfe (heißt also: trotz Vorsorgevollmacht ist die gerichtliche Genehmigung erforderlich!).

Gemäß § 1906 Abs. 4 BGB würden die Vorschriften über die Unterbringung eines Betreuten (Absätze 1 bis 3 der Vorschrift) entsprechend geltend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhalte, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden solle.

Diese Regelung schütze - ebenso wie Absatz 1 bis 3 der Vorschrift - die körperliche Bewegungsfreiheit und die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit. ...
Quelle: http://rae-schaub.eu/archives/748



Zitat
BGH: Fixierung von Heimbewohnern nur mit Richter-Genehmigung

Demente Heimbewohner dürfen nicht ohne gerichtliche Genehmigung mit Bettgittern oder Gurten in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Die Zustimmung des Betreuers reiche nicht aus, entschied der Bundesgerichtshof in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil.
Quelle: http://www.stern.de/politik/deutschland/ (http://),  26. Juli 2012, 18:01 Uhr



Zitat
Bundesgerichtshof
Regelmäßige Fixierung nur mit richterlicher Genehmigung

Die regelmäßige Fesselung eines kranken oder pflegebedürftigen Menschen ans Bett oder an einen Stuhl ist nur mit einer vorherigen gerichtlichen Genehmigung zulässig.

Dies gilt selbst dann, wenn ein Angehöriger eine umfassende Vorsorgevollmacht hat und danach auch über freiheitsentziehende Maßnahmen bestimmen kann, entschied der XII.Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss (Az.: XII ZB 24/12) (http://bit.ly/OrwcoH).

Mehr dazu lesen Sie in der Printausgabe von CAREkonkret (http://www.carekonkret.vincentz.net/Printausgabe).

Quelle: http://www.carekonkret.vincentz.net/ (http://www.carekonkret.vincentz.net/Regelmaessige-Fixierung-nur-mit-richterlicher-Genehmigung)



[BGH-Beschluss lesen >>] (http://www.heimmitwirkung.de/smf/index.php?action=dlattach;topic=1796.0;attach=1448)


Titel: Anwalt: richterliche Genehmigungspflicht gilt auch bei Generalvollmacht
Beitrag von: admin am 06. August 2012, 23:14
Kommentar zu BGH, Beschluss vom 27.06.2012, XII ZB 24/12

von Ronald Richter, Rechtsanwalt, RICHTERRECHTSANWÄLTE

Nach der Rückkehr aus dem Urlaub, insbesondere aus dem Ausland, ist tröstlich zu wissen: In Deutschland ist alles gesetzlich geregelt, nicht nur die Pflegeausbildung, die Veröffentlichung von Transparenzberichten oder die Farbe von Dachziegeln.

Trotzdem ist immer wieder verwunderlich, dass in wirklich existentiellen Fragen die Beteiligten auf alle möglichen Veröffentlichungen, Leitfäden und Aussagen vertrauen, den Blick ins Gesetz jedoch scheuen. Damit geht aber ein Stück „deutsche“ Rechtssicherheit und Rechtskultur verloren. So ist es gut, wenn die beteiligten Kreise vom obersten deutschen Zivilgericht einmal wieder daran erinnert werden.

Freiheitsentziehende Maßnahmen unterliegen, wenn der Betroffene nicht einwilligungsfähig ist, dem strengen Genehmigungsvorbehalt des Betreuungsgerichts. § 1906 BGB heißt bereits in der Überschrift: „Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Unterbringung“.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein gesetzlicher Betreuer bestellt ist oder mittels notarieller Generalvollmacht ein Bevollmächtigter. Für beide gilt § 1906 Abs. 2 BGB: Die Unterbringung und nach § 1906 Abs. 4 BGB jede freiheitsentziehende Maßnahme ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung und jede freiheitsentziehende Maßnahme nur zulässig, wenn mit dem Aufschub (also für die Zeit der Antragsbearbei-tung) Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. Für den Bevollmächtigten gilt § 1906 Abs. 5 BGB, der nach seinem Satz 2 die Absätze 1 bis 4 für entsprechend anwendbar erklärt.

Daher ist die Rechtslage völlig klar: Ist der Betroffene nicht einwilligungsfähig, so ist natürlich zuerst der Betreuer und der Bevollmächtigte zu befragen. Beide werden jedoch vom zuständigen Betreuungsgericht überwacht und kontrolliert. Oder wie es der BGH wörtlich ausführt: „Das Betreuungsgericht hat daher zum Schutz des Betroffenen nicht nur zu überprüfen, ob die Vorsorgevollmacht rechtswirksam erteilt ist, ob sie die Einwilligung in freiheitsentziehende Maßnahmen umfasst und auch nicht zwischenzeitlich widerrufen ist, sondern insbesondere, ob die Vollmacht dadurch in Kraft gesetzt ist, dass eine Gefährdungslage überhaupt vorliegt. Unter die Kontrolle des Betreuungsgerichts ist damit nicht die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts erfolgte Entscheidung des Betroffenen gestellt, sondern die gesetzesgemäße Handhabung der Vorsorgevollmacht durch den Bevollmächtigten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Vorsorgevollmacht im Sinne des Betroffenen ausgeübt wird. Diese Kontrolle dient der Sicherung des artikulierten Willens des Betroffenen.“

Daher kann es nur eine Empfehlung für die Pflegeeinrichtungen geben: In jedem Fall ist nach der Äußerung durch den Betreuer oder den Bevollmächtigten das Betreuungsgericht zur Entscheidung und Kontrolle hinzuzuziehen. Mehr Rechtssicherheit geht nicht. Ohne einen derartigen Beschluss des Betreuungsgerichts hingegen ist jede freiheitsentziehende Maßnahme rechtswidrig.

Also: Der Beschluss des BGH sagt nichts Neues, erinnert uns aber mal wieder an die gesetzlichen Grundlagen.

Quelle: http://www.richter-rae.de - Mit freundl. Genehmigung des Autors


Titel: Beschluss des BGH zum Verschließen der Eingangstür
Beitrag von: admin am 21. Februar 2015, 19:07
Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 7. Januar 2015 - XII ZB 395/14
Unterbringungsähnliche Maßnahmen, z.B. Verschließen der Eingangstür einer Pflegeeinrichtung während der Nachtstunden ...

BGB § 1906 Abs. 4


a) Ohne rechtswirksame Einwilligung des Betroffenen ist eine Maßnahme immer dann als unterbringungsähnlich im Sinn des § 1906 Abs. 4 BGB einzustufen, wenn sie, ohne eine Unterbringung zu sein, die Bewegungsfreiheit des Betroffenen über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig begrenzt und dies zumindest auch bezweckt.

b) Ein "regelmäßiges" Hindern i.S.d. § 1906 Abs. 4 BGB liegt vor, wenn es stets zur selben Zeit oder aus wiederkehrendem Anlass erfolgt. Es kommt nicht auf die Dauer der jeweiligen Einzelmaßnahme an, so dass auch kurzzeitige Beschränkungen der Bewegungsfreiheit genehmigungspflichtig sind, wenn sie regelmäßig vorgenommen werden. Lediglich diejenigen regelmäßigen Einschränkungen der Fortbewegungsfreiheit unterfallen nicht § 1906 Abs. 4 BGB, bei denen es sich um nur unerhebliche Verzögerungen handelt.

c) Das regelmäßige Verschließen der Eingangstür während der Nachtstunden kann eine unterbringungsähnliche Maßnahme darstellen, wenn der Betroffene weder einen Schlüssel erhält noch ein Pförtner das jederzeitige Verlassen der Einrichtung ermöglicht.

Quelle: BGH, Beschluss vom 7. Januar 2015 - XII ZB 395/14 - LG Chemnitz AG Freiberg (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=XII%20ZB%20395/14&nr=70136)


Titel: BGH: Fixierung ausschließlich mit Erlaubnis des Gerichts
Beitrag von: admin am 06. Juli 2015, 14:08
Trotz eindeutiger Formulierung in einer Vorsorgevollmacht kann nur das Betreuungsgericht einer ggf. notwendigen Fixierung zustimmen.

Zitat
Verfassungsgericht Az. 2 BvR 1967/12 (http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/06/rk20150610_2bvr196712.html)
Fixierung nur mit Erlaubnis des Gerichts


Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Beschluss vom 10. Juni 2015 klar: Ärztliche Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen wie Fixierungen im Rollstuhl oder Pflegebett erfordern stets eine Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht. Dies gilt auch dann, wenn der davon Betroffene zuvor in einer Vorsorgevollmacht auf das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung verzichtet hat. ...
Quelle: http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/recht/article/889633/verfassungsgericht-fixierung-nur-erlaubnis-des-gerichts.html?sh=10&h=237216106

[zum BGH-Beschluss >>] (http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/06/rk20150610_2bvr196712.html)


Titel: BGH verhandelt über Zwangsfixierungen psychisch Kranker im Krankenhaus
Beitrag von: admin am 16. Februar 2018, 11:33
31.01.2018 | PresseSTATEMENT Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
Zitat
Fixierung vermeiden: Personal ist der Schlüssel

Das Bundesverfassungsgericht hat sich gestern und heute in einer mündlichen Verhandlung mit der Frage von Zwangsmaßnahmen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung befasst. Die DGPPN beteiligt sich seit vielen Jahren intensiv an der gesellschaftlichen Diskussion zu diesem Thema und begleitet aktiv die Prozesse zur Neuregelung der Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKGs). DGPPN-Präsident Prof. Dr. med. Arno Deister stellte die Position der Fachgesellschaft in der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe vor. In seinem Statement wies er auf die Notwendigkeit von politischen Weichenstellungen und insbesondere auf die erforderlichen Verbesserungen in der Versorgung hin, damit Fixierungen weitestgehend verhindert werden können. Zwangsmaßnahmen müssen zukünftig bundesweit einheitlich und für alle Bereiche der Medizin erfasst werden.

„Die Fixierung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen im stationären Bereich darf nur der Abwendung von akuter Eigen- oder Fremdgefährdung dienen, wenn andere Maßnahmen, die einen geringeren menschenrechtlichen Eingriff bedeuten würden, nicht ausreichend sind. An erster Stelle muss das Bemühen stehen, dass gefährliche Situationen gar nicht erst auftreten. Zur Vermeidung und Reduzierung von Zwangsmaßnahmen ist eine qualitativ und quantitativ ausreichende Personalausstattung unverzichtbar. Wenn zu viele Patientinnen und Patienten auf zu wenig Raum mit zu geringer Personalausstattung untergebracht sind, kann dies zur Entstehung von Gewalt beitragen. Hier gilt es Abhilfe zu schaffen. Das Personal muss umfangreich in Deeskalationstechniken geschult werden. Insgesamt wirken alle Maßnahmen präventiv, die geeignet sind, das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen Menschen mit psychischen Erkrankungen, Angehörigen und Professionellen zu verbessern. Dafür müssen entsprechende Rahmenbedingungen in der Psychiatrie geschaffen werden – das ist vor allem auch eine politische Aufgabe“, fordert Professor Arno Deister.

Weiterhin stellt er fest: „Die Diskussion über medizinische Maßnahmen, die bei schweren Krankheiten gegen den Willen des Patienten oder ohne seine Zustimmung erfolgen müssen, betrifft dabei die gesamte Medizin.“

Die DGPPN beteiligt sich seit vielen Jahren an diesem öffentlichen Diskurs. Aktuell wird eine wissenschaftliche S3-Leitlinie zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen erarbeitet, die noch in diesem Jahr veröffentlicht wird. Die Fachgesellschaft spricht sich zudem für eine weitgehende Angleichung der äußerst heterogenen Regelungen aus – denn die Gesetze zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung sind Ländersache. Sie bringt sich deshalb aktiv in die Novellierungsprozesse der einzelnen Bundesländer ein. Um hierbei neue Impulse zu geben, hat die DGPPN ein umfangreiches Online-Informationsangebot geschaffen, das die Regelungen nebeneinanderstellt.
Quelle: https://dgppn.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2018/fixierung-vermeiden.html



BVGH verhandelt über zwei Verfassungsbeschwerden zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zum Gegenstand haben.
Zitat

Pressemitteilung Nr. 107/2017 vom 1. Dezember 2017

Aktenzeichen: 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am

Dienstag, 30. Januar 2018, 10.00 Uhr, und
Mittwoch, 31. Januar 2018, 10.00 Uhr,
im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,
Schlossbezirk 3, 76131 Karlsruhe

über zwei Verfassungsbeschwerden, welche die Anordnung von Fixierungen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zum Gegenstand haben.

1. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 502/16 betrifft die 7-Punkt-Fixierung des Beschwerdeführers - das heißt die Fesselung an das Krankenbett an beiden Armen, beiden Beinen sowie um Bauch, Brust und Stirn - während eines insgesamt gut zwölfstündigen Psychiatrieaufenthalts. Die Maßnahme wurde auf ärztliche Anordnung vorgenommen und dauerte acht Stunden an. Das Bayerische Unterbringungsgesetz (BayUnterbrG), welches Rechtsgrundlage für die vorläufige Unterbringung des Beschwerdeführers war, sieht keine spezielle Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung von Fixierungen vor. Der Beschwerdeführer nahm den Freistaat Bayern erfolglos auf Schadensersatz und Schmerzensgeld für die aufgrund der Fixierung erlittenen Verletzungen in Anspruch. Seine Verfassungsbeschwerde ist gegen die in dem Amtshaftungsverfahren ergangenen Entscheidungen gerichtet.

2. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 309/15 betrifft die 5-Punkt-Fixierung eines in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung Untergebrachten, die über mehrere Tage wiederholt ärztlich angeordnet worden war. Der Beschwerdeführer, der Verfahrenspfleger des Untergebrachten, wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen den die Fixierung anordnenden Beschluss sowie mittelbar gegen § 25 Abs. 3 des baden-württembergischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKHG BW), auf dessen Grundlage der Beschluss erging.

3. Beide Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Grundrechts auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und 2 GG). Sie machen geltend, die Fixierung unterliege als freiheitsentziehende Maßnahme einem Richtervorbehalt. Die für die Anordnung der Fixierung jeweils herangezogenen Rechtsgrundlagen würden den verfassungsrechtlichen Maßstäben für die Rechtfertigung eines Eingriffs in das Grundrecht auf Freiheit der Person nicht gerecht. Das Freiheitsgrundrecht stelle besondere Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

4. Bei der Freiheitsentziehung handelt es sich um die schwerste Form der Freiheitsbeschränkung. Sie setzt eine besondere Intensität voraus und kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in Betracht, wenn die - tatsächlich und rechtlich an sich gegebene - Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird. Im Rahmen der Unterbringung stellt sich zudem die Frage, ob eine „Freiheitsentziehung in der Freiheitsentziehung“ möglich ist.

Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-107.html



Nach tel. Auskunft von der BGH-Pressestelle ist mit einer Rechtsprechung erst im Laufe des Jahres -evtl. im Herbst - zu rechnen.