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Titel: Missstände in der Pflege: Oft verschwiegen - warum?
Beitrag von: admin am 07. November 2012, 21:43
Gewalt in der Pflege: Schweigen ist üblich, reden ist Gold

Viele, die Menschen in Pflegeheimen pflegen und versorgen, begleiten und besuchen, nehmen Missstände wahr - schweigen aber lieber darüber.  Warum?

Bremen, 07.11.2012. Nichtbetroffene können das kaum verstehen: Warum zeigen Angehörige, Pflegekräfte und andere, die in Heimen ein- und ausgehen, nicht einfach die Missstände in der Pflege an? Claus Fussek, der vielzitierte Pflegekritiker der Nation, schiebt gar einen Teil der Schuld an Pflegemissständen den Angehörigen selbst in die Schuhe, weil sie wahrgenommene Gewalt und Pflegemängel nicht anzeigen. Leider lässt er dabei die besonderen Umstände und Abhängigkeiten völlig außer acht!

Wer seine Angehörigen in Heimen begleitet und so manches Negative dabei erlebt, der fragt sich, wie er damit umgehen soll. Den meisten fehlen die Beweise - und der Mut. Jedoch braucht man ohne Beweise auch keinen Mut!  

Zudem gibt es jede Menge Zweifel, die einem Betroffenen durch den Kopf gehen, wenn er von Gewalt oder Missbrauch hört. Es ist schwierig zu beurteilen: Wie glaubwürdig sind Aussagen von verwirrten, alten Menschen oder geistig behinderten und psychisch beeinträchtigten Menschen?

Hinzu kommt, dass Angehörige meist Angst davor haben, dass ihre Pflegebedürftigen darunter zu leiden haben, wenn sie negativ Erlebtes gegenüber Pflegepersonal und Heimleitung ansprechen. Oft möchten die Heimbewohner sogar selbst nicht, dass ihre Probleme thematisiert werden, weil sie erst recht Angst vor Repressalien haben. Ein weiterer Grund ist, dass Heimbewohner großes Verständnis für die Situationen der Pflegekräfte haben und sie ihre Angehörigen nicht damit  behelligen wollen. Sie erleben täglich, dass zu wenig Personal zur Verfügung steht und die Pflegekräfte unter extremen Zeitdruck ihre Arbeit nicht schaffen können. Sie verstehen, dass die Pflegekräfte oft weit über ihre Belastbarkeit hinaus die Arbeit verrichten. Sie verstehen, dass diese gestresst sind und dadurch leichter gereizt reagieren. Sie verstehen, dass Pflegekräfte, die zu Hungerlöhnen Schwerstarbeit verrichten müssen, nicht 100% motiviert sein können.

Und die Pflegekräfte selbst? Warum zeigen sie nicht einfach ihre Kollegen an? Auch sie bräuchten Beweise. Aber Gewalt in der Pflege findet in der Regel im Verborgenen statt - und ohne dass Zeugen dabei sind! Außerdem haben auch Pflegekräfte Angst! Angst vor den eigenen Kollegen, vor Mobbing und Schikane, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und so weiter.

Und warum melden sich Ärzte, Friseure, Fußpfleger und andere Dienstleister nicht zu Wort, wenn sie problematische Pflege wahrnehmen? Auch hier gibt es die Beweisnot - und auch Angst davor, als Dienstleister das Pflegeheim als lukrativen Kunden zu verlieren ...

Nein, eine einfache Lösung gibt es leider nicht. Die Lösung liegt eben nicht in der Schuldzuweisung, sondern in der Ermittlung der wahren Hintergründe, mehr Aufklärung und Unterstützung der Betroffenen. Fakt ist, dass der Pflegeberuf immer unattraktiver geworden ist: harte Knochenarbeit, schlechte Bezahlung, befristete Arbeitsverträge. Besonders attraktiv war der Beruf aber noch nie: für relativ wenig Lohn alte, kranke, verwirrte, inkontinente Menschen, die sich teils auch noch wehren oder aggressiv sind, im Minutentakt versorgen ... da kann eigentlich kein Mensch besondere Motivation, Liebe und Fürsorglichkeit erwarten.

Dennoch gibt es sie, die vielen Pflegekräfte, die trotz der negativen Umstände versuchen ihre Arbeit zu schaffen. Und viele von ihnen fahren jeden Tag mit Gewissensbissen nach Hause, weil sie genau wissen, dass sie eine ausreichende Versorgung der ihnen anvertrauten Menschen gar nicht schaffen können. Ihnen gilt großer Respekt dafür, dass sie es zumindest versuchen!

Welche Ursachen gibt es für die Probleme im Pflegebereich?
Einer der Gründe ist, dass das viele Geld, das im Pflegebereich kassiert wird, nicht ausschließlich dafür verwendet wird, wofür es gedacht ist und ausgehandelt wurde. Rendite- und profitorientierte Unternehmen versprechen ihren Investoren Renditen von 7 Prozent* und mehr. Hinzuzurechnen ist dem genannten Prozentwert noch der Unternehmergewinn. Reditegarantien werden für 15 Jahre und länger zugesagt, gehen dabei allerdings eindeutig zu Lasten des Pflegepersonals und der Versorgungsqualität.

Welche Lösungen könnte es geben?
Es ist nicht zielführend allein nach einem neuen "Pflegebedürftigkeitsbegriff" zu suchen. Wir brauchen auch keine teuren Imagekampagnen, wie sie von Politikern und Wirtschaftsbossen gern gefordert werden. Der Pflegefachkraftmangel kann dadurch sicher nicht behoben werden! Nein, was gebraucht wird, sind bessere Rahmenbedingungen. Dazu gehören gezielte Förderung der Berufsausbildung, ausreichende Bezahlung, Wertschätzung der Pflegekräfte, interessante Perspektiven im Beruf und nicht zuletzt eine effektive Kontrolle der vereinbarten Pflegegelder hinsichtlich ihrer Verwendung.  *Quelle: http://www.aad-fondsdiscount.de/geschlossene-fonds/immobilienfonds_deutschland/102219.html

Pflegebetroffene, Angehörige und Pflegekräfte haben Möglichkeiten, die sie stärker nutzen sollten. Heimbewohner können Beiräte zu ihrer Interessenvertretung wählen – am Besten mit externer Unterstützung. Angehörige können sich zu eigenständigen Interessenvertretungen formieren und ihre Erfahrungen mit Angehörigen anderer Heime austauschen. Für Heimbeiräte und Angehörige gibt es in Bremen beispielsweise eine unabhängige Selbsthilfe-Initiative (www.heim-mitwirkung.de), die sich am zweiten Samstag im Monat um 15 Uhr im Netzwerk Selbsthilfe in der Faulenstraße 31 trifft. Pflegekräfte können sich wiederum in Berufsverbänden und Gewerkschaften organisieren oder sich Initiativen wie „Pflege-steht-auf“ (http://www.facebook.com/Pflege.steht.auf) anschließen.

Gemeinsam an einem Strang ziehen, sich über Rechte und Möglichkeiten informieren und diese nutzen - und notfalls in die Öffentlichkeit gehen - könnte mehr bewegen. Beispiele von mutigen Angehörigen und Pflegekräften, die sich getraut haben, Missstände anzuzeigen oder an die Medien zu geben, zeigen Wirkung. Für ihren Mut und ihre Entschlossenheit – auch für manchmal nicht ganz legale Beweisführung – gebührt diesen Menschen größter Respekt und Dank!


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Reinhard Leopold c/o SHG Angehörige u.
Ehrenamtliche in der Heimmitwirkung
- Internet- und Öffentlichkeitsarbeit -
Rembertistraße 9
28203 Bremen

Tel.: 0421 / 33 65 91 20
Skype: Heim-Mitwirkung
eMail:
Internet: www.heim-mitwirkung.de

"Heim-Mitwirkung.de"
Bremer Selbsthilfe-Initiative von Angehörigen und Ehrenamtlichen, gegründet Anfang 2006. Engagiert sich generationsübergreifend in der Heim-Mitwirkung. Ziel ist die Verbesserung der Interessenvertretung insbesondere von Heim-Bewohnern sowie von pflegenden und begleitenden Angehörigen.

Als bevollmächtigter Angehöriger habe ich viele Jahre meine Eltern in Heimen begleitet und entsprechende Erfahrungen gemacht. Deshalb engagiere ich mich seit 2002 ehrenamtlich für die Verbesserung im Pflegebereich. Das von mir betriebene Internetportal dient dazu, wichtige Informationen zu sammeln und langfristig bereitzustellen.

Auszug / Eckpunkte meines ehrenamtlichen Engagements:
• seit 2002 ehrenamtliches Engagement im Bereich Heim-Mitwirkung (Heimbewohner-Fürsprecher / Heimbewohner-Beiratsunterstützer)
• seit 2006 Betreiber der Internetsite unter www.heim-mitwirkung.de
• seit 2006 Mitglied im "Bremer Forum gegen Gewalt in Pflege und Betreuung"
• 2006 Gründung der unabhängigen Bremer Selbsthilfe-Initiative "Angehörige und Ehrenamtliche in der Heim-Mitwirkung"

Weitere Infos über Teilnahmen ann Schulungen, Fortbildungen, Veranstaltungsteilnahmen Referate u.v.m. finden Sie unter: www.heimmitwirkung.de/smf/index.php?topic=1557.0