Heimmitwirkung.de - Alles über Heimmitwirkung, Heim, Heimbewohner, Heimbeiräte, Heimfürsprecher, Pflege

AKTUELLES / NEWS => Aktuelles aus den Medien => Thema gestartet von: admin am 25. Januar 2013, 01:04



Titel: Profit auf Kosten alter Menschen
Beitrag von: admin am 25. Januar 2013, 01:04
Pflegewissenschaftler Görres:
"Regulierung nicht allein dem Markt überlassen"

Zitat von: Weser-kurier, 24.01.2013
Das Geschäft mit Pflegebedürftigen

Das Geschäft mit der Pflege alter Menschen ist lukrativ. Das zeigt sich daran, dass es immer mehr private Pflegeheim-Betreiber gibt. Jetzt will der französische Konzern Korian mehrere Pflegeheime in Deutschland übernehmen, unter anderem in Bremen. Wohlfahrtsverbände als freigemeinnützige Träger drohen dadurch verdrängt zu werden. Experten beobachten diese Entwicklung mit Sorge.

VON SABINE DOLL UND JUDITH DIETL

Bremen. Die Politik muss sich mehr einmischen, um die Qualität der Pflege zu garantieren. Das fordert Stefan Görres, Direktor des Instituts für Public Health und Pflegeforschung (IPP) an der Universität Bremen. Immer mehr private Pflege-Konzerne drängten auf den Markt und setzten kleinere Pflegeheim-Betreiber unter Druck. Jüngstes Beispiel ist der französische Konzern Korian, der 77 Einrichtungen in Deutschland übernehmen will. „Der Staat darf die Regulierung nicht allein dem Markt überlassen“, sagt Görres.

Hintergrund ist die steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen. Von 2,34 Millionen im Jahr 2009 ist die Zahl bis 2011 um sieben Prozent auf 2,5 Millionen gestiegen, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Bis 2030 sollen es dreieinhalb Millionen Pflegebedürftige sein. Damit steigt auch der Bedarf an Pflegeheimen. 30 Prozent der Pflegebedürftigen wurden 2011 in einer stationären Einrichtung betreut. Laut Statistischem Bundesamt rund vier Prozent mehr als 2009.

An dem lukrativen Geschäft mit der Pflege wollen sich immer mehr private Pflege-Konzerne beteiligen. Der Marktanteil der zehn größten privaten PflegeheimBetreiber lag laut einer Studie der Unternehmensberatung Ernst&Young 2009 bei rund neun Prozent, der Anteil der zehn größten freigemeinnützigen Pflegeheim-Betreiber bei 4,1 Prozent.

Auch in Bremen sind private Pflegeheim-Betreiber auf dem Vormarsch: Lag die Quote 2005 noch bei rund 25 Prozent, hat sie sich nach Angaben der Sozialbehörde 2011 mit 45 Prozent fast verdoppelt. Sie teilen sich den Pflegemarkt im kleinsten Bundesland mit den Wohlfahrtsverbänden als freigemeinnützige Träger. Wirtschaftlicher Druck herrscht in Bremen derzeit vor allem dadurch, dass es ein Überangebot an stationären Plätzen gibt: 6628 Plätzen steht eine Auslastung von 89,9 Prozent gegenüber. „Je schlechter die Auslastung der Einrichtungen ist, desto höher ist der wirtschaftliche Druck für alle Einrichtungen am Markt“, sagt Behördensprecher Bernd Schneider. „Damit einher geht das Risiko, dass am Personal gespart wird – zulasten der Qualität und der Pflegebedürftigen.“ Je mehr Anbieter auf den Markt drängten, desto mehr spitze sich dies zu.

Stefan Görres betrachtet die Entwicklung mit Sorge. „Wenn die privaten Unternehmen immer noch größere Gewinne einfahren müssen, müssen sie einsparen, beim Personal und bei Hilfsmitteln“, sagt der Experte. Das könne sich am Ende auch auf die Qualität der Pflege auswirken. Der verstärkte Wettbewerb erhöhe aber auch den wirtschaftlichen Druck auf kleinere Einrichtungen. Auch sie müssten dann Einsparungen vornehmen. Die Konsequenzen seien damit die gleichen.

Ein Problem der großen Einrichtungen sei, dass sie meist außerhalb der Stadt gebaut würden – weit entfernt vom gewohnten Umfeld der pflegebedürftigen Menschen und ihren Familien. Die Betreuung sei oft wenig individuell. „Bei großen Pflege-Konzernen geht es um Menge und Masse“, sagt Görres. Problematisch werde es, wenn die Pflege nur noch als Geschäft gesehen wird. „Man muss die Entwicklung in den nächsten Jahren sehr genau beobachten“, sagt er. Große Ketten dürften allerdings nicht pauschal verurteilt werden.

Eine Regulierung, wie sie Görres fordert, könne ein geeignetes Instrument sein, sagt auch Behördensprecher Schneider. Etwa, indem das Verhältnis von ambulanter und stationärer Pflege auf kommunaler Ebene festgeschrieben werde. Allerdings gebe das Sozialgesetzbuch diese Möglichkeit bislang nicht her. Es verpflichtet die Behörde, dem Bau einer Einrichtung zuzustimmen, wenn bestimmte formale Voraussetzungen erfüllt seien.
Quelle: www.weser-kurier.de, 24.01.2013