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Infos + Meinungsaustausch (Forum) => Psychiatrie => Thema gestartet von: admin am 25. Juni 2017, 22:14



Titel: BREMEN: Skandale am Klinikum Bremen-Ost
Beitrag von: admin am 25. Juni 2017, 22:14
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Staatsanwaltschaft lehnt Beschwerde ab
Eine Mutter kämpft um Gerechtigkeit für tote Tochter


von Antje Stürmann

Claudia Becks Tochter erkrankt psychisch, wird von einer Ärztin als Notfall in die Psychiatrie eingewiesen. Am Tag ihrer Entlassung erhängt sich die 20-Jährige Melissa in ihrem Zimmer.

Der Staatsanwalt verdächtigt die behandelnden Ärzte der fahrlässigen Tötung. Er ermittelt zwei Jahre und stellt das Verfahren ein, obwohl die Akten Ungereimtheiten aufweisen. „Ich habe das Gefühl, ich bin zweimal Opfer geworden“, sagt Claudia Beck, "erst habe ich meine Tochter verloren, weil die Ärzte Fehler gemacht haben, dann vertuscht der Staatsanwalt die Tat."

Melissa Beck litt wie ihr Vater an einer bipolaren Störung – einer chronisch verlaufenden psychischen Krankheit, bei der Stimmung und Antrieb extrem schwanken. "Zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt", sagt Claudia Beck, die selbst vom Fach ist. Die Diplom-Psychologin weiß: "Diese Menschen sind extrem Selbstmord gefährdet." Mit der richtigen Medikation könne man die Krankheit in den Griff bekommen.

Fachärztin sieht Anzeichen für schwere Depression
Bei ihrer Tochter schwankt die Stimmung kurz vor ihrem Tod sekündlich. So beschreibt sie es in Tagebuchaufzeichnungen, die dem WESER-KURIER vorliegen. Im Sommer 2014 geht es Melissa so schlecht, dass sie von einer niedergelassenen Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie ins Klinikum Ost eingewiesen wird. "Meine Tochter hatte keinen Lebensmut und -willen mehr", erinnert sich Claudia Beck. Die Fachärztin sieht Anzeichen für eine schwerste Depression. Auf ihren Einweisungsschein schreibt sie: "lebensüberdrüssig", "stationäre Behandlung erforderlich" und einen wichtigen Hinweis: "Vater bipolare Störung". Ob es sich um eine Depression handelt oder um eine bipolare Störung, sei für die Wahl der Medikamente von Bedeutung, gibt eine Ärztin den Kripobeamten später zu Protokoll, das dem WESER-KURIER vorliegt. Bei einer bipolaren Störung, so die Ärztin, komme das Arzneimittel Sertralin nicht zum Einsatz.

In dem Protokoll ist auch zu lesen, dass nach Ansicht der Fachärztin eine stationäre psychiatrische Behandlung zwingend erforderlich gewesen sei. Das bestätigt die Fachärztin gegenüber dieser Zeitung. Sie habe sich Sorgen gemacht und in der Klinik angerufen, weil sie sicher gehen wollte, dass Melissa dort aufgenommen worden ist und die Kollegen sie nicht aus den Augen lassen.

Keine Medikamente trotz Notfall-Einweisung
Doch obwohl Melissa Beck als Notfall eingewiesen worden ist, bekommt sie nach Angaben von Claudia Beck keine Tabletten, die ihr Leiden eindämmen. Claudia Beck erinnert sich, dass der leitende Oberarzt gesagt habe: „Da machen wir erst einmal gar nichts“ und "Tabletten schon mal gar nicht". Die Patienten sei volljährig und deshalb Ansprechpartnerin der Ärzte und nicht die Mutter. Claudia Beck hält beides für eine Fehleinschätzung: "In ihrem Zustand war Melissa eine hilflose Person", sagt sie. Die Klinik lehnt auf Nachfrage jede Stellungnahme zu dem Fall ab. Begründung: "Wir können keinerlei Auskünfte geben, da wir die Patientin nicht mehr nach ihrem Einverständnis fragen können", so eine Sprecherin der Gesundheit-Nord.

Wie Claudia Beck berichtet, soll ihre Tochter Körbe flechten, Mandalas ausmalen und Gespräche führen. Ein Arzt sei in der ersten Woche nicht vor Ort gewesen, das habe ihr eine Krankenschwester gesagt. Stattdessen ist laut Beck eine unbezahlte Psychotherapeutin in Ausbildung für die Patienten verantwortlich. Auch dazu gibt es keine Stellungnahme von der Klinik. "Meine Tochter hatte eine Krankheit mit neurobiologischem Hintergrund und hätte in die gezielte Behandlung eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie gehört", sagt Claudia Beck. Mehrfach habe sie darauf hinweisen wollen, dass ihre Tochter ein dämpfendes, beruhigendes Neuroleptikum benötige. Doch sie sei nicht gehört worden, nichts sei passiert. Später dann habe doch noch Neuroleptikum und Schlafmittel nach Bedarf in der Krankenakte gestanden, die dem WESER-KURIER ebenfalls vorliegt. "Nichts davon hat man meiner Tochter angeboten", ist Beck sicher. Stattdessen habe sie drei Wochen nach der Aufnahme in die Klinik das antriebssteigernde Antidepressivum Sertralin erhalten. Dieses Medikament aber erhöht die Suizidgefahr besonders bei manisch-depressiven Erkrankungen, zu denen auch die bipolare Störung zählt, und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren. So steht es im Beipackzettel.

"Melissa konnte nicht mehr allein entscheiden"

Der Oberarzt habe seine Patientin gefragt, so Beck, ob sie lieber ein antriebssteigerndes oder lieber ein dämpfendes Medikament einnehmen wolle. "Melissa konnte zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr allein entscheiden", sagt Claudia Beck. An dieser Stelle hätte der Oberarzt einen gerichtlichen Betreuer bestellen müssen. Die Frage des Oberarztes zeigt Beck, dass er drei Wochen nach der Einweisung noch keine Diagnose gestellt habe und dass er auch nicht wusste, welche Symptome die Patientin zeige. "Sonst hätte er gewusst, was meine Tochter braucht", so Beck. Auch dazu heißt es aus der Klinik: Kein Kommentar.

Der Arzt entscheidet sich für die Gabe von Sertralin. Doch anstatt die Patientin – wie vom Hersteller angezeigt – engmaschig zu beobachten und ihren Zustand zu prüfen, haben die Ärzte die 20-Jährige nach Hause entlassen. Alarmsignale wie Rastlosigkeit und die extremen Stimmungsschwankungen bleiben offenbar unverstanden. Und Melissa Beck ungehört: In einem ihrer letzten Tagebucheinträge schreibt sie: "Meine Stimmung ändert sich von Sekunde zu Sekunde, ich kann mir nicht mehr trauen. Bitte lass mich gehen, ich gehöre nicht auf diese Welt." Eine Anleitung, wie sie eine tödliche Schlinge knüpft, hatte Melissa noch in der Klinik aus dem Internet auf ihr Handy geladen. Nur wenige Stunden nach ihrer Entlassung aus der psychiatrischen Klinik erhängt sie sich.

Der Staatsanwalt beschlagnahmt die Krankenakte und verdächtigt die Ärzte der fahrlässigen Tötung. In einem Brief an Becks Anwalt teilt er zwei Jahre später mit: Er könne den Beschuldigten eine strafbare Handlung "mit der für die Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit nicht nachweisen". Das begründet er mit einem selbst in Auftrag gegebenen Gutachten. Das unterschreibt zwar ein Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Wilhelmshaven. Erstellt hat er das Gutachten, das dem WESER-KURIER vorliegt, aber nicht, wie die Floskel "Einverstanden aufgrund eigener Urteilsbildung" verrät. Wer das Gutachten erstellt hat, das Melissa Beck postmortem eine mittelgradige Depression attestiert, bleibt unklar.

Um diese Diagnose zu verifizieren, hätte der Staatsanwalt Zeugen wie die Bettnachbarin oder Claudia Beck befragen können. In dem Gutachten heißt es: Die therapeutischen Maßnahmen der Klinik seien angemessen gewesen. Allerdings gibt der Sachverständige zu: Betrachte man den Behandlungsfall aus der Retrospektive, so sei die Entlassung aus der Klinik im Ergebnis die falsche Entscheidung gewesen. Zu kritisieren sei allenfalls, dass keine geeigneten Mittel eingesetzt worden seien, um die Schwere der Krankheit zu beurteilen. Die Staatsanwaltschaft lehnt zum jetzigen Zeitpunkt jede Stellungnahme ab. Zwei unabhängige Experten aus Bayern und Nordrhein-Westfalen bestätigen auf Anfrage des WESER-KURIER, es bestehe der begründete Verdacht, dass ein ärztlicher (psychiatrischer) Kunstfehler begangen wurde, den das Gutachten weg bagatellisiert und durch Fehl- und Umdeutung verleugnet. Außerdem gibt der Gutachter Aussagen aus dem Protokoll der Kripo nachweislich falsch wieder.

Auftrag wegen Befangenheit abgelehnt

Aus der Ermittlungsakte geht hervor, dass der Staatsanwalt den Anwälten der Ärzte Gelegenheit gab, den Gutachter selbst auszusuchen. Daraufhin machten diese vier Vorschläge – unter anderem schlugen sie ihren eigenen früheren Chef vor. Dieser lehnte den Auftrag wegen Befangenheit ab. Wie den Unterlagen der Polizei und des Amtsgerichts zu entnehmen ist, wurden die Krankenunterlagen der einweisenden Fachärztin sofort beschlagnahmt, die Klinik aber hatte bis zur Abgabe drei Tage Zeit.

"Der Staatsanwalt hat dieses Gutachten zur Grundlage seines Einstellungsbescheides gemacht, ohne dessen Plausibilität, Vollständigkeit und Objektivität zu prüfen", wirft Beck dem Staatsanwalt vor. Der Gutachter hingegen überschreite seine Kompetenz, indem er sage, er könne kein schuldhaftes Verhalten der Behandler feststellen. "Das ist Aufgabe des Staatsanwaltes", so Beck.

Claudia Beck glaubt, dass das falsche Medikament ihre Tochter getötet hat und die Ärzte ihre bipolare Störung übersehen haben. Die Bremerin möchte, dass die Ärzte dafür die Verantwortung übernehmen. "Die Beweislast ist erschlagend, die Lügen sind offenkundig und das bringt mich zur Verzweiflung." Außerdem glaubt die Psychologin: Das Schicksal ihrer Tochter ist kein Einzelfall. "Ich möchte, dass anderen Patienten solch ein Schicksal erspart bleibt." Die juristische Leiterin bei der Unabhängigen Patientenberatung in Berlin, Heike Morris, bestätigt: "Im Strafrecht gilt: Im Zweifel für den Angeklagten. Die Ermittlungen werden nur weitergeführt, wenn die Wahrscheinlichkeit bei über 50 Prozent liegt, dass es zu einer Verurteilung kommt." So drastische Fälle wie diesen habe sie nicht oft. "Man merkt aber, dass die Rat Suchenden sensibler werden und immer öfter anrufen", sagt Morris. Bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler haben gesetzlich Versicherte seit einigen Jahren Anspruch auf Unterstützung durch die Krankenkasse, die ein für die Versicherten kostenfreies Gutachten erstellen lässt.

Beschwerde eingelegt

Gegen den Einstellungsbescheid des Staatsanwaltes hat Beck Beschwerde eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat diese Ende Oktober als unbegründet zurückgewiesen. Eine Stellungnahme lehnt die Generalstaatsanwaltschaft mit Verweis auf das laufende Verfahren ab. Becks Anwalt Markus Knorn hadert mit der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft. Er ist der Meinung, Melissa Beck hätte bei ihrer Entlassung medizinisch begleitet werden müssen, dass ihr nicht die richtigen Medikamente gegeben wurden und dass es in der Klinik an Fachkompetenz fehlte. Zur Arbeit des Staatsanwaltes sagt er: "Es ist immer problematisch, wenn Aussagen nicht kritisch hinterfragt werden." Ein Gutachter habe die Aufgabe, dem Juristen die medizinischen Zusammenhänge verständlich zu machen und nicht die juristische Entscheidung abzunehmen. "Das passiert meiner Meinung nach viel zu oft", so Knorn. Ein Fall wie diesen habe sein Büro schon einmal juristisch begleitet. Sobald die Staatsanwaltschaft ermittelt, rät Knorn Geschädigten, als Nebenkläger Akteneinsicht zu fordern. "Nur dann kann man Fragen aufwerfen." Das könne sich günstig auf die Ermittlungen auswirken. Becks Anwalt Hans-Berndt Ziegler hat nach eigenen Angaben zwei Jahre lang vergeblich versucht, Einblick in die Akten zu bekommen.

Claudia Beck hat jetzt einen Antrag auf Klageerzwingung gestellt. Das Bremer Oberlandesgericht soll den Fall wieder aufnehmen und prüfen.
Quelle: http://www.weser-kurier.de/bremen_artikel,-Eine-Mutter-kaempft-um-Gerechtigkeit-fuer-tote-Tochter-_arid,1512334.html, 21.11.2016


Titel: Vorwurf an die Staatsanwaltschaft
Beitrag von: admin am 25. Juni 2017, 22:22
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Behörde soll Stellung beziehen
Kritischer Blick auf die Psychiatrie

von Antje Stürmann

Eine als suizidgefährdet eingewiesene 20-Jährige beging am Tag ihrer Entlassung aus der Psychiatrie im Klinikum Ost Selbstmord. Die Mutter des Opfers möchte vor dem Oberlandesgericht gegen die Ärzte klagen.

Der Tod einer 20-jährigen Bremerin nach ihrer Entlassung aus der Psychiatrie im Klinikum Ost vor gut zwei Jahren beschäftigt nun auch die Behörden. „Dieser Fall ist für uns Anlass, ganz intensiv unter den Teppich Psychiatrie im Klinikum Bremen-Ost zu schauen“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Rainer Bensch.

Er ist auch Mitglied der Besuchskommission im Klinikum Ost. Bensch fordert die Behörde auf, während der nächsten Sitzung der Gesundheitsdeputation schriftlich über die Arbeit der Psychiatrie am Klinikum zu berichten.

Frage nach ärztlichen Kunstfehlern
Unter anderem möchte die CDU wissen, wie viele Patienten mit bipolaren Störungen in den vergangenen zwei Jahren als Notfälle in der Psychiatrie des Klinikums Ost behandelt wurden, wie diese therapiert worden sind und welche Medikamente diese Patienten erhalten haben.

„Wie wird sichergestellt, dass Patienten mit akutem Suizidrisiko nicht vorzeitig entlassen werden“, fragt Bensch und: „Wegen wie vieler ärztlicher psychiatrischer Kunstfehler hat die Staatsanwaltschaft Bremen seit 2014 mit jeweils welchen Ergebnissen ermittelt?“

Wie berichtet, war die 20-Jährige, die vermutlich an einer bipolaren Störung litt, als Notfall und als suizidgefährdet in die Psychiatrie eingewiesen worden. Knapp einen Monat später, am Tag ihrer Entlassung, hatte sie sich selbst getötet.

Vorwurf an die Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen fahrlässiger Tötung gegen drei Ärzte, stellte ihre Ermittlungen aber 2016 ein. Ausschlaggebend dafür war nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Gutachten, das nach den Worten der Mutter des Opfers fehlerhaft ist. Claudia Beck wirft der Staatsanwaltschaft vor, die Fakten nicht ausreichend geprüft zu haben.

Sie möchte nun vor dem Oberlandesgericht gegen die Ärzte klagen. Die Richter dort wollen nach eigenen Angaben noch im Januar entscheiden, ob der Fall wieder aufgenommen und geprüft wird. Das Oberlandesgericht ist die Instanz vor dem Bundesgerichtshof.

Claudia Beck erhebt schwere Vorwürfe. Ihre Tochter sei genötigt worden, ein antriebsteigerndes Medikament gegen Depressionen zu nehmen, obwohl der Hersteller darauf hinweist, dass es die Gefahr eines Suizids verstärkt. „Ziel der Einweisung in die Klinik war es, dass meine Tochter ihre Suizidgedanken überwindet“, sagt Beck.

Aufklärung über Risiken des Medikaments war mangelhaft

Das von den Ärzten verabreichte Medikament aber habe die Suizidgedanken ihrer Tochter zur Tat befördert. Beck ist überzeugt: „Es handelt sich nicht um einen Freitod, wenn ein Medikament gegeben wird, das den freien Willen ausschaltet, und wenn die Patientin dazu gebracht wird, dieses Medikament einzunehmen.“

Nach Angaben von Beck wies außerdem die gesetzlich vorgeschriebene Aufklärung über die Risiken des verabreichten Medikaments Sertralin zunächst Lücken auf. In den Ermittlungs- und Krankenakten, die die Staatsanwaltschaft erst nach ihren Ermittlungen herausgegeben habe, sei die Dokumentation aber plötzlich vollständig gewesen.

Zudem sei ihre Tochter als Notfall in die Psychiatrie eingewiesen, dann aber von einer Ärztin ohne abgeschlossene Facharztausbildung behandelt worden. Diese habe ihre Tochter schließlich entlassen, obwohl sie festgestellt habe, dass es der jungen Frau schlecht ging. Im Entlassungsbrief, der dem WESER-KURIER vorliegt, heißt es unter anderem, die Patientin werde nach ausreichender Stabilisierung und ohne Anhalt für Eigen- oder Fremdgefährdung entlassen.

Akte liegt beim Oberlandesgericht

Es sind nur einige von vielen Ungereimtheiten, die nach Claudia Becks Ansicht von der Staatsanwaltschaft nicht sorgfältig genug geprüft worden sind. Die Klinik will sich aus Datenschutzgründen grundsätzlich nicht zu dem Fall äußern; die Staatsanwaltschaft könne derzeit keine Stellung nehmen, weil sich die Akte beim Oberlandesgericht befinde, so Sprecher Frank Passade.

Innerhalb der SPD ist der Fall zumindest Gesprächsthema. „Es ist wichtig, dass man hinterher geht, wenn Menschen sagen, da läuft etwas schief“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Stephanie Dehne, zu dem Fall. Die Kriminalpolizei, die 2014 für die Staatsanwaltschaft ermittelt hatte, gibt keine Auskunft und verweist an die Staatsanwaltschaft als „Herrin des Verfahrens“.
Quelle: http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-Kritischer-Blick-auf-die-Psychiatrie-_arid,1529107.html, 12.01.2017


Titel: Nebenwirkung Selbstmord
Beitrag von: admin am 25. Juni 2017, 22:31
Zitat
Radio Bremen TV vom 06.02.2017
Nebenwirkung Selbstmord


Quelle: http://www.radiobremen.de/fernsehen/buten_un_binnen/video97666-popup.html + https://youtu.be/HiONmA45UK8

Die 20-jährige Melissa war erst vor wenigen Stunden aus der Psychiatrie im Klinikum Bremen Ost entlassen worden als sie sich umbrachte. Ihre Mutter meint, dass ihre Tochter falsch behandelt wurde. Doch die Ermittlungen wurden eingestellt. Jetzt hat die Mutter vorm Oberlandesgericht erstritten, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden.

    Autor/-in: Hanna Möllers
    Länge: 6:22 Minuten
    Datum: Montag, 6. Februar 2017
    Sendereihe: buten un binnen | regionalmagazin | RB TV
Quelle: http://www.radiobremen.de/fernsehen/buten_un_binnen/video97666-popup.html



Frühere Medien-Bericht zum Thema:

Zitat
Paradoxe Nebenwirkung
Suizidrisiko durch Stimmungsaufheller
Antidepressive Wirkung setzt erst spät ein


Quelle: http://www.3sat.de/... + https://youtu.be/-fCxrqOj-fo

Die Einnahme von Antidepressiva kann das Risiko für eine Selbsttötung verstärken - besonders zu Beginn einer medikamentösen Behandlung.

Mediziner erklären dies damit, dass eine antidepressive Wirkung erst nach einigen Wochen einsetzt, die Patienten aber sehr schnell eine aktivierende Wirkung spüren. Möglicherweise lässt sie diese Energie Pläne umsetzen, die lange zuvor geschmiedet wurden. ...
Quelle: http://www.3sat.de/page/?source=/nano/medizin/182066/index.html, 02.10.2015



Zitat
Verordnungsboom für Antidepressiva

Quelle: https://youtu.be/neKcPnJsRZw

Anti-Depressiva (Stimmungsaufheller) sind ein Milliardengeschäft für die Pharmaindustrie. Pharmaindustrie und Ärzte, haben die Kinder als Kunden entdeckt.
Quelle: Frontal21, 13.08.2013



Zitat
Anti-Depressivum treibt Frau in den Selbstmord

Quelle: https://youtu.be/Fo2nDU5Z8PM

Während der Behandlung können verschiedene unerwünschte Wirkungen auftreten. Diese hängen aufgrund der großen Unterschiede zwischen den Antidepressiva von der jeweiligen Substanz ab.

Beim Absetzen von Antidepressiva können Absetz-Phänomene wie Rebound auftreten. Die Einnahme von Antidepressiva führt jedoch nicht zur Abhängigkeit.

Hinsichtlich der Anwendung von SSRI und SSNRI bei Kindern und Jugendlichen mit depressiven Störungen liegen aus Studien Hinweise für eine unter dieser Therapie erhöhte Suizidalität vor. Insbesondere das Risiko für suizidale Gedanken und feindselige, gegen die eigene Person oder andere gerichtete Handlungen scheint erhöht zu sein.
Quelle: http://www.3sat.de/..., 18.05.2013


Titel: Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgericht gewonnen
Beitrag von: admin am 25. Juni 2017, 23:16
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Ermittlungen am Klinikum-Ost in Bremen
Suizid statt Heilung


von JAN ZIER

Eine junge Frau bringt sich um, kurz nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen wird. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wieder

BREMEN taz | Als Melissa Beck sich erhängt, ist sie gerade ganz frisch aus dem Klinikum Bremen-Ost (KBO) entlassen. Ob das eine fahrlässige Tötung war, muss jetzt die Staatsanwaltschaft ermitteln.

Wieder ermitteln, muss man sagen – denn sie hat das Verfahren gegen drei ÄrztInnen des KBO schon mal eingestellt. Weil „kein schuldhaftes Verhalten“ zu erkennen sei, wie es hieß. Dabei liegt der Verdacht nahe, dass sie durch gleich mehrere Behandlungsfehler den Suizid quasi herausgefordert haben. Oder, wie die Mutter sagt: „Genauso gut hätte man meiner Tochter einen geladenen und entsicherten Revolver in die Hand drücken können.“

Claudia Beck hat nun ein Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgericht gewonnen. So etwas kommt extrem selten vor, zumal in Bremen. Gestern debattierte auch die Gesundheitsdeputation über den Fall. Und es soll noch weitere fragwürdige Fälle gegeben haben.

Rückblende: Im Juli 2014 wird Melissa Beck als „Notfall“ ins KBO aufgenommen: Sie sei „lebensüberdrüssig“, steht auf der Einweisung für Station 5c, wo sie zu diesem Zeitpunkt gar keine ÄrztIn haben. Eine Psychologin ohne medizinische Ausbildung nimmt statt dessen die Rolle der Behandlerin ein.

Melissa Beck ist 20, Studienanfängerin in Gießen – und ein „totaler Sonnenschein“, wie ihre Mutter sagt. In der Psychiatrie war sie vorher nie. Aber ihr Vater: Er ist manisch-depressiv, hat also eine bipolare Störung, wie die Psychiater sagen. Im KBO wussten sie das. Dass Melissa Beck auch manisch-depressiv war, ist ein naheliegender Gedanke, den schon die Fachärztin äußert, die Beck einweist. Immer wieder zeigt sie deutliche Symptome einer bipolaren Störung. Doch im KBO kommt man am Ende zu einer ganz anderen Diagnose. Das wird fatale Folgen haben.

Als Melissa Beck am 8. August 2014 aus der Klinik entlassen wird, werden ihr „suizidale Ideen“ bescheinigt. Für „Eigen- oder Fremdgefährdung“ gebe es aber „keinen Anhaltspunkt“, hat die Psychotherapeutin in Ausbildung Anna B. in den Arztbrief geschrieben. Wenige Stunden später ist Melissa Beck tot.

Keiner der Ärzte hat dieses Papier unterschrieben. Hinweise darauf, dass einer von ihnen vor der Entlassung noch mit Melissa Beck gesprochen hat, „finden sich nicht“, sagt der Anwalt Hans-Berndt Ziegler, der Claudia Beck vertritt. „Dazu waren die Behandler jedoch verpflichtet.“ Die Behandlungsunterlagen des KBO hält er für „offensichtlich manipuliert“.

Gut eine Woche vor ihrer Entlassung nimmt die Patientin, zunächst gegen ihren Willen, das antriebssteigernde Medikament „Zoloft“, das Sertralin enthält. Damit sollen, so erklärt der Hersteller Pfizer schwere Depressionen behandelt werden – engmaschig betreut. „Vorsicht geboten“ sei indes bei PatientInnen mit einer bipolaren Störung, weil Sertralin die Stimmungsschwankungen verstärken kann.

Zudem erhöht das Medikament laut Hersteller das Suizid-Risiko, bei jungen Menschen häufiger als bei älteren. „Bei aktivierenden Mitteln kann es dazu kommen, dass die Leute einen Aggressivitätsschub bekommen, der sie dazu bringt, die Selbsttötungsgedanken auch in die Tat umzusetzen“, sagt der Pharmakologe Gerd Glaeske von der Uni Bremen. Zur Heilung werden sie dennoch eingesetzt. In den USA wird indes davor gewarnt, Sertralin auch unter-25-Jährigen zu geben.

In den ersten drei Wochen ihres Notfall-Aufenthaltes wird Melissa Beck vor allem mit Sport, Entspannung und Gesprächen therapiert. „Die Ärzte haben überhaupt nicht mitgekriegt, wie es um Melissa stand“, wird ihre Bettnachbarin später sagen. Medikamente bekommt sie erst, als der baldige Entlassungstermin schon feststeht. „Dabei war Sertralin bei meiner Tochter doppelt kontraindiziert“, sagt Claudia Beck, die selbst Psychologin ist.

In der Klinik sind sie da anderer Meinung: „Die Diagnose einer Depression“ sei von den ÄrztInnen „einhellig“ gestellt worden, „zutreffend und auch nachträglich nicht in Frage zu stellen“, schreibt der Verteidiger von Dominik D., leitendem Oberarzt im KBO. Auch der Vorwurf, das Suizidrisiko der Patientin sei unterschätzt worden, „entbehrt jeder Grundlage“, so der Anwalt weiter. Eines Fehlers ist sich D. nicht bewusst: Er habe sich in diagnostischer und therapeutischer Hinsicht nichts vorzuwerfen, schreibt sein Verteidiger, auch wenn ihn die „Nachricht vom Freitod sehr getroffen hat“. Schon von einem Freitod zu sprechen, sei „absurd“, sagt Claudia Beck.

Gestützt wird die Sicht des KBO durch ein Gutachten, das im Namen des Wilhemshavener Psychiatrie-Professors Here Folkerts verfasst wurde. Es kommt zu dem Schluss, dass Melissa Beck eine „mittelgradig ausgeprägte Depression“ hatte. Hinweise auf eine bipolare Störung „ergeben sich für mich nicht“, schreibt der Gutachter. Sertralin hätte Beck dann aber laut Pfizer gar nicht bekommen dürfen: Es ist nur für schwere Depressionen zugelassen.

Dennoch resümiert das Gutachten, dass es zwar „einzelne Kritikpunkte“ an der Behandlung von Melissa Beck gebe, „schuldhaftes Verhalten der Ärzte aber „nicht zu erkennen“ sei. Wer das Gutachten geschrieben hat, ist unklar. Folkerts selbst nicht, nur soviel steht fest. Nachdem die Staatsanwaltschaft es gelesen hat, stellte sie das Verfahren gegen die Ärzte ein. Zu unrecht, wie jetzt das Oberlandesgericht entschied. Anwalt Ziegler hält die Einschätzung des Gutachters für „geradezu absurd“.
Quelle: http://www.taz.de/!5378171/ (http://www.taz.de/!5378171/), 08.02.2017


Titel: Ermittelt Staatsanwalt gegen sich selbst?
Beitrag von: admin am 27. Juni 2017, 12:08
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Staatsanwaltschaft Bremen
Anzeige gegen Staatsanwalt

von Antje Stürmann

Die Bremerin Claudia Beck hat einen Staatsanwalt wegen Strafvereitelung im Amt angezeigt. Trotzdem arbeitet dieser weiter an ihrem Fall. Die Anklagebehörde weist Kritik zurück.

Claudia Beck kann nicht glauben, was sie hört: Die Staatsanwaltschaft lässt ­jenen Staatsanwalt, den sie wegen Strafvereitelung im Amt angezeigt hat, weiter ermitteln. Im Kern wirft Beck den behandelnden Ärzten ihrer Tochter, die vor drei Jahren nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in einer Bremer Klinik am Tag ihrer Entlassung Suizid begangen hatte, fahrlässige ­Tötung vor.

Aus Becks Sicht hatte der Staatsanwalt vor zwei Jahren die Fakten nicht sorgfältig geprüft, zu wenige Zeugen befragt und sich auf ein fehlerhaftes Gutachten verlassen, bevor er die Ärzte von jeder Verantwortung für den Tod ihrer Tochter freisprach. Zu Beginn dieses Jahres hatte das Oberlandesgericht (OLG) der Staatsanwaltschaft auferlegt, erneut Zeugen zu befragen und die Ergebnisse des Gutachtens zu ergänzen.

Noch kein wirkliches Ermittlungsverfahren eingeleitet
Ihre Anzeige gegen den Staatsanwalt sei diesen Nachermittlungen angehängt worden, sagt Claudia Beck. „Ein klarer Rechtsbruch“, empört sich die Bremerin. „Das ist so, als würde er jetzt gegen sich selbst ermitteln.“ Beck und ihre Anwältin Sabine Hummerich befürchten, „dass der Staatsanwalt die Ermittlungen erneut so führt, dass nichts dabei herauskommt“.

Die Anwältin kritisiert: „Bis jetzt ist noch kein wirkliches Ermittlungsverfahren gegen den Staatsanwalt eingeleitet worden.“ Stattdessen habe ihr die Innenbehörde auf Anfrage mitgeteilt, dass sie die Anzeige an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet habe.

Die Sprecherin der Innenbehörde sagt dazu: „Die internen Ermittler der Behörde dürfen nicht gegen Staatsanwälte ermitteln.“ Der Behörde liege eine Anzeige wegen Rechtsbeugung vor. In dieser Sache müsse die Staatsanwaltschaft ermitteln. Claudia Beck: „Das ist absurd. Dann ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sich selbst.“

Keine Aussage wegen Erkrankung
Sabine Hummerich berichtet: Bis vor einigen Tagen habe der Staatsanwalt nur einen halbherzigen Versuch unternommen, eine Zeugin zu vernehmen. Diese könne jedoch aufgrund ihrer Erkrankung keine Aussage machen. „Wenn ein Staatsanwalt nicht arbeitet und nach einer Strafanzeige nichts passiert, muss die Behörde eingreifen“, fordert die Anwältin.

Sie kritisiert auch, dass sie den Fortgang der Ermittlungen nur schwer nachvollziehen konnte. „Es gab kein Akten-Doppel, und die eine Akte, die es gibt, war laufend unterwegs.“ Dieses unpraktische Vorgehen ziehe das Verfahren unnötig in die Länge. Je länger ein Verfahren dauere, desto schlechter könnten sich Zeugen erinnern.“

Offenbar wird die Forderung des Oberlandesgerichts nicht ernst genommen“, mutmaßt Hummerich. Doch genau das sollte man als Bürger erwarten können. „In Sachen Haftbarkeit von Ärzten ist es nicht nur dieses Verfahren, in dem es so läuft“, sagt die Anwältin. Auch in einem anderen Verfahren habe sie gegen denselben Staatsanwalt Strafanzeige gestellt.

Verfahren gegen unschuldige Bürger
„Vom ­Innensenator als oberen Dienstherren erwarte ich, dass der Staatsanwalt bis zum Abschluss der Ermittlungen anderswo eingesetzt wird“, sagt Hummerich. In ihren Augen ist der Staatsanwalt nicht tragbar. „Man kann nicht davon ausgehen, dass jemand, der in einem Fall eine Straftat verschleiert hat, das nicht auch in anderen Fällen so macht.“

Ein Staatsanwalt müsse in alle Richtungen ermitteln. „Wenn man nur den leisesten Verdacht hat, dass er nicht richtig ermittelt, müssen die Warnglocken schrillen“, denn das Verfahren könnte sich gegen unschuldige Bürger wenden. „Der Bürger ist dann schutzlos.“ Vorwürfe, die der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade, zurückweist.

„Die Strafanzeige gegen den Staatsanwalt wird nicht von ihm selbst bearbeitet.“ Das mache derjenige im Haus, der für den Anfangsbuchstaben des Nachnamens des Beschuldigten zuständig sei. Die Ermittlungen seien aufgenommen, den Stand der Dinge könne er aber nicht wiedergeben.

"Es ist lächerlich, was hier vorgebracht wird, weil das Ergebnis nicht passt."
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft besteht kein Grund, daran zu zweifeln, dass der Beschuldigte seinen Job gut macht. Natürlich könne ein Behördenleiter jemanden aus einem Verfahren ablösen. „Aber warum sollte er das tun, wenn er der Meinung ist, dass dieser gute Arbeit macht“, fragt Passade. Der beschuldigte Staatsanwalt sei, was medizinische Sachverhalte anbelangt, ein ­Experte. „Ich kenne keinen, der ein profunderes medizinisches Wissen hat als er“, so Passade.

„Es ist lächerlich, was hier vorgebracht wird, weil das Ergebnis nicht passt.“ Auch eine zu große Nähe zu Ärzten ­könne man dem Staatsanwalt nicht unterstellen. Der beschuldigte Staatsanwalt werde das Verfahren weiter bearbeiten, sagt Passade. „Es gibt aus unserer Sicht keine Bedenken, dass das vernünftig erfolgt.“

Inzwischen sei die Akte auf dem Weg zum Oberlandesgericht. „Was gemacht werden sollte, ist abgearbeitet“, teilt Passade mit. Davon könne sich nun, nach Abschluss der Ermittlungen, auch die Anwältin überzeugen. „Ein Akten-Doppel ist keine Pflicht, und es hilft nicht weiter, denn die Daten müssen laufend aktualisiert werden“, argumentiert Passade.
Quelle: http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-anzeige-gegen-staatsanwalt-_arid,1618128.html, 26.06.2017


Titel: Rechtsstreit um "Scheinbehandlung" in Klinikum soll weitergehen
Beitrag von: admin am 31. August 2017, 23:49
Zitat
Eine Mutter kämpft um die Aufklärung des Todes ihrer Tochter
Kein Arzt? Kein Problem!

Nach dem Suizid einer Patientin entlastet auch das Oberlandesgericht das Klinikum Bremen-Ost. Eine Anwältin spricht von „Scheinermittlungen“.


von JAN ZIER

Ganz „regulär“ wurde Melissa Beck dort entlassen, schreibt die Klinik im August 2014 der Krankenkasse – ihr gilt die Patientin sogar als „arbeitsfähig“. Wenige Stunden später erhängt sich die 21-jährige.  (http://www.taz.de/!5378171/)Das war fahrlässige Tötung, sagt Claudia Beck. Das war „schicksalhaft“, entschied soeben das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) – und sorgte dafür, dass entsprechende Ermittlungen gegen zwei Ärzte und eine Psychologin des KBO nun erneut eingestellt werden. Es könne „kein relevanter Behandlungsfehler“ festgestellt werden, schreiben die Richter.

Dabei deutet vieles genau darauf hin. Die Ermittlungen gegen das KBO waren schon einmal eingestellt worden. Das Klageerzwingungsverfahren vor dem OLG hatte Claudia Beck zwar gewonnen, doch nun haben die Richter dort der Staatsanwaltschaft wieder Recht gegeben. Claudia Beck spricht von einer „Willkürentscheidung“ des OLG, und von einer „Justiz-Farce“.

Im Juli 2014 wird Melissa Beck als „Notfall“ ins KBO eingewiesen: „Schwerste depressive Symptomatik“ notiert ihre Fachärztin, und dass der Vater manisch-depressiv ist, also „bipolar“, wie Psychologen das nennen. Sie habe „Stimmungsschwankungen“, sagt die Patientin, als sie ins Krankenhaus kommt – deutliches Anzeichen einer bipolaren Störung.

Auf Station 5c haben sie zu diesem Zeitpunkt aber gar keine Ärztin – die ist im Urlaub, ihre Vertreterin eine Psychologin ohne medizinische Ausbildung. Zwar gibt es einen Oberarzt, aber den sieht die Patientin nur einmal in der Woche, für ein paar Minuten. Er diagnostiziert eine „unipolare Depression“, ein Befund, der „auch nachträglich nicht infrage zu stellen“ sei, wie sein Verteidiger heute erklärt. Anzeichen einer Manie habe es nicht gegeben.

Kaum Zeit aus Personalmangel
Angesichts der Personalnot hätte die Station damals geschlossen werden müssen, sagt Claudia Beck, die selbst Psychologin ist – „aber man wollte lieber einen abrechenbaren Behandlungsfall“. Ihre Tochter hätte an eine andere Klinik verwiesen werden müssen, so Beck, und dass Station 5c damals nur das fachliche Niveau einer „Kurzzeitpflege“ gehabt habe.

In den ersten drei Wochen ihres rund einmonatigen Notfall-Aufenthaltes wird Melissa Beck vor allem mit Sport, Entspannung und Gesprächen therapiert, sie selbst berichtet von „walken, malen und vorlesen“. In der Psychiatrie des KBO überlegt man derweil, die Patientin in eine psychosomatische Abteilung zu schicken – dort habe man „mehr Zeit“ für die „nötige Diagnosestellung“, schreibt die behandelnde Psychologin des KBO später.

Noch kurz vor der Entlassung werden der Patientin „suizidale Ideen“ bescheinigt, für „Eigen- oder Fremdgefährdung“ gebe es aber „keine Anhaltspunkte“, notiert die angehende Psychotherapeutin im Arztbrief. „Ihr wurde gespiegelt, dass es ihr schlecht gehe“, notiert der Oberarzt bei seinem letzten Besuch in die Krankenakte.

Ein zweifelhafter Medikamenten-Cocktail
Zu diesem Zeitpunkt nimmt Melissa Beck seit ein paar Tagen, zunächst gegen ihren Willen, das antriebssteigernde Medikament Zoloft, das Sertralin enthält. Damit können laut Hersteller Pfizer schwere Depressionen behandelt werden. Allerdings nur bei PatientInnen, die auch engmaschig betreut werden – und die nicht auch manisch veranlagt sind. Denn Sertralin verstärkt die Stimmungsschwankungen und erhöht Experten zufolge das Suizid-Risiko, bei jungen Menschen häufiger als bei älteren. In den USA wird deshalb davor gewarnt, Sertralin unter 25-Jährigen zu geben. Also jemandem wie Melissa Beck.

Zwar bekommt sie zugleich Lorazepam verordnet, ein Tranquilizer, der beruhigen und Ängste lösen soll, aber Beck nimmt die Medikamente ohnehin nicht wie verschrieben; im Krankenhaus wissen sie das. Das Lorazepam konnte deshalb gar nicht wirken, sagt Claudia Beck – weil zu wenig Wirkstoff im Blut war. Geholfen hat es nicht.

Der Vorwurf, das Suizidrisiko der Patientin sei unterschätzt worden, „entbehrt jeder Grundlage“, schreibt dagegen der Anwalt des Oberarztes. Entlastet wird er durch ein Gutachten, das auch das OLG zum Maßstab seiner Entscheidung gemacht hat. Es wurde im Namen des Wilhelmshavener Psychiatrie-Professors Here Folkerts verfasst und kommt zu dem Schluss, dass Melissa Beck eine „mittelgradig ausgeprägte Depression“ hatte, keinesfalls eine bipolare Störung. Sertralin hätte in diesem Fall trotzdem nicht verabreicht werden dürfen: Es ist nur für schwere Depressionen zugelassen.

Das Medikament war gleichwohl „indiziert“, schreiben die Richter in ihrem Beschluss – und attestieren Melissa Beck einen „unauffälligen Krankenhausaufenthalt“, bei dem es „keine Hinweise“ für eine erhöhte Suizidgefährdung gegeben habe. Auch die fehlenden Ärzte sehen die Richter nicht als Pro­blem an, zumindest aber sei die fehlende medizinische Betreuung nicht kausal für den Suizid der Patientin, schreibt das OLG – ihr Tod war ja „schicksalhaft“.

Sie wurde „ausgerechnet im kritischsten Zeitfenster der Medikation aus der Klinik entlassen“, habe die einweisende Fachärztin hernach der Polizei gesagt, erzählt Claudia Beck. Das KBO will sich nicht äußern, es verweist auf die ärztliche Schweigepflicht und das laufende Verfahren.

Immer neue Unterlagen tauchen auf
Die Anwältin Sabine Hummerich, die Beck vertritt, wirft der Justiz „massive Scheinermittlungen“ vor. So werde eine Bestrafung der Ärzte verhindert. Mit der Beschlagnahmung der Krankenakte etwa hat die Staatsanwaltschaft „es nicht so genau genommen“, sagt Beck – noch über ein Jahr nach dem Tod von Melissa Beck tauchen neue Unterlagen aus dem Krankenhaus auf, aus den Händen der Verteidigung der Ärzte.

Hummerich reicht jetzt eine sogenannte „Gehörsrüge“ ein – die aber landet erneut beim OLG. Es ist das letzte Rechtsmittel vor einer Verfassungsbeschwerde. Für die wiederum rechnet sich Hummerich „eher gute Chancen“ aus. In Bremen schütze die Justiz die städtischen Institutionen, sagt Beck.

Aus Sicht der Anwältin ist der Fall von Melissa Beck durchaus kein Einzelfall. Hummerich vertritt auch den Sohn von Ayten Akin (taz berichtete (http://)). Seine Mutter kam 2014 wegen einer Routineuntersuchung ins Krankenhaus Bremen-Ost und fiel mehrere Wochen später nach einer Lungenspiegelung – die nicht hätte gemacht werden dürfen – ins Koma, aus dem sie nicht mehr erwachte. Noah Akin wirft dem KBO vor, es habe seiner Mutter lebensrettende Maßnahmen verweigert (http://www.taz.de/!5063711/), spricht von fahrlässiger Tötung.

Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Ärzte indes eingestellt – nachdem sie auch hier schlampig gearbeitet hat, wie Sabine Hummerich erklärt: Noch nicht einmal Noah Akin sei gehört worden. Die Staatsanwaltschaft fand indes auch in diesem Fall, dass es „nichts zu beanstanden“ gab. Nun hofft Noah Akin auf das Bundesverfassungsgericht.

So wie Claudia Beck. „Ich kann nicht damit leben zu wissen, was für ein Unrecht da passiert.“ Was sich ändern müsste? „Es müsste einfach geltendes Recht eingehalten werden.“
Quelle: http://www.taz.de/Eine-Mutter-kaempft-um-die-Aufklaerung-des-Todes-ihrer-Tochter/!5441209/ (http://www.taz.de/Eine-Mutter-kaempft-um-die-Aufklaerung-des-Todes-ihrer-Tochter/!5441209/)



Zitat
Mutter will weiter klagen
Rechtsstreit nach Tod der Tochter

Bremen. Im Fall der 20-Jährigen, die sich nach einem Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik Bremen-Ost selbst getötet hatte, hält die Mutter an ihren Vorwürfen gegen die Ärzte und die Staatsanwaltschaft fest. Claudia Beck wirft der Klinik "Scheinbehandlung" vor, an der sie sich bereichert und die das Leben von Patienten akut gefährdet habe. Die Klinik nimmt zu dem Fall keine Stellung. Das Oberlandesgericht (OLG) hatte den Staatsanwalt zu weiteren Ermittlungen aufgefordert, Mitte August aber bestätigt, dass die Ärzte für den Tod der jungen Frau nicht verantwortlich gemacht werden können (wir berichteten).


Claudia Beck bleibt dabei, dass eine falsche Medikation und das Fehlen eines Facharztes zum Tod ihrer Tochter geführt haben: "Die Station, auf der meine Tochter untergebracht war, hätte geschlossen sein müssen, weil es keine ärztliche Versorgung gab", sagt sie. "Eine Station ohne Arzt ist eine Pflegestation, kein Krankenhaus", moniert die Diplom-Psychologin. Ihrer Ansicht nach hat das OLG die eigene Aufforderung zu Nachermittlungen ad absurdum geführt: "In seiner Verfügung hat das Gericht festgestellt, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unzureichend waren und sie nach ihrem Sachstand nicht hätte beurteilen können, ob sich die Beschuldigten strafbar gemacht haben oder nicht", sagt Beck. Vor allem hätten Aussagen von Zeugen gefehlt – diese fehlten auch jetzt noch, so Beck. "Der gleiche Sachverständige hat den damaligen Zustand meiner Tochter wieder rein nach Aktenlage beurteilt", glaubt sie und unterstellt der Justiz, Fehler vertuschen zu wollen. Die Staatsanwaltschaft hatte diese Vorwürfe bereits vor Monaten von sich gewiesen.

Claudia Beck ist der Auffassung: "Das Oberlandesgericht schützt Institutionen und das Verbrechen. Das ist organisierte staatliche Kriminalität zu Lasten des Bürgers." Das dürfe nicht unter den Teppich gekehrt werden. Beck will sich nun mit ihren Anwälten über den nächsten Schritt beraten. Notfalls wolle sie beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen.
Quelle: www.weser-kurier.de, 31.08.2017