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Infos + Meinungsaustausch (Forum) => Berichte & Studien => Thema gestartet von: admin am 09. Juni 2020, 10:31



Titel: Soziale und gesundheitliche Auswirkungen der Corona-Pandemie
Beitrag von: admin am 09. Juni 2020, 10:31
Pressemitteilung - Technische Universität München:
02.06.2020 13:17

Häusliche Gewalt während der Corona-Pandemie: Erste große Studie zu Erfahrungen von Frauen und Kindern in Deutschland

Dr. Ulrich Marsch Corporate Communications Center
Technische Universität München

    Rund 3 Prozent der Frauen in Deutschland wurden in der Zeit der strengen Kontaktbeschränkungen zu Hause Opfer körperlicher Gewalt, 3,6 Prozent wurden von ihrem Partner vergewaltigt. In 6,5 Prozent aller Haushalte wurden Kinder gewalttätig bestraft. Dies zeigt die erste große repräsentative Umfrage zu häuslicher Gewalt während der Corona-Pandemie, ein Projekt der TUM und des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Waren die Frauen in Quarantäne oder hatten die Familien finanzielle Sorgen, lagen die Zahlen deutlich höher. Nur ein sehr kleiner Teil der betroffenen Frauen nutzte Hilfsangebote.

    Während der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wuchs die Sorge, dass Frauen und Kinder unter häuslicher Gewalt leiden könnten. Doch da nicht alle Opfer Anzeige erstatten oder Hilfsangebote nutzen, blieb die tatsächliche Dimension im Dunkeln.

    Janina Steinert, Professorin für Global Health an der Technischen Universität München (TUM), und Dr. Cara Ebert vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung haben deshalb rund 3.800 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren online nach ihren Erfahrungen befragt. Die Studie ist hinsichtlich Alter, Bildungsstand, Einkommen, Haushaltsgröße und Wohnort repräsentativ für Deutschland. Die Frauen wurden zwischen 22. April und 8. Mai 2020 nach dem vorangegangenen Monat gefragt, also der Zeit der strengsten Kontaktbeschränkungen. Da manche Befragten aus Scham möglicherweise nicht zutreffende Antworten geben, wandten die Wissenschaftlerinnen bei besonders stigmatisierten Formen der Gewalt, z.B. sexueller Gewalt, eine anerkannte indirekte Fragemethode an.

    Fast 5 Prozent der Partner regulieren die Kontakte der Frauen

    Diese erste große deutsche Studie zu diesem Thema zeigt:

    ● Körperliche Gewalt: 3,1 Prozent der Frauen erlebten zu Hause mindestens eine körperliche Auseinandersetzung, zum Beispiel Schläge. In 6,5 Prozent der Haushalte wurden Kinder körperlich bestraft.

    ● Sexuelle Gewalt: 3,6 Prozent der Frauen wurden von ihrem Partner zum Geschlechtsverkehr gezwungen.

    ● Emotionale Gewalt: 3,8 Prozent der Frauen fühlten sich von ihrem Partner bedroht. 2,2 Prozent duften ihr Haus nicht ohne seine Erlaubnis verlassen. In 4,6 Prozent der Fälle regulierte der Partner Kontakte der Frauen mit anderen Personen, auch digitale Kontakte, zum Beispiel über Messenger-Dienste.

    Ein Vergleich dieser Zahlen mit Daten aus der Zeit vor der Pandemie wäre nicht aussagekräftig, da bisherige Studien nach Gewalterfahrungen innerhalb längerer Zeiträume gefragt haben, nicht aber nach einem Zeitraum weniger Wochen.

    Risikofaktor Finanzsorgen

    Höher war die Zahl der Opfer sowohl bei Frauen als auch Kindern, wenn

    ● sich die Befragten zu Hause in Quarantäne befanden (körperliche Gewalt gegen Frauen: 7,5 %, körperliche Gewalt gegen Kinder: 10,5 %).
    ● die Familie akute finanzielle Sorgen hatte (körperliche Gewalt gegen Frauen: 8,4 %, körperliche Gewalt gegen Kinder: 9,8 %).
    ● einer der Partner aufgrund der Pandemie in Kurzarbeit war oder den Arbeitsplatz verloren hatte (körperliche Gewalt gegen Frauen: 5,6%, körperliche Gewalt gegen Kinder: 9,3 %).
    ● einer der Partner Angst oder Depressionen hatte (körperliche Gewalt gegen Frauen: 9,7 %, körperliche Gewalt gegen Kinder: 14,3 %).
    ● sie in Haushalten mit Kindern unter 10 Jahren lebten (körperliche Gewalt gegen Frauen: 6,3 %, körperliche Gewalt gegen Kinder: 9,2 %).

    Aus diesen Risikofaktoren leiten die Wissenschaftlerinnen mehrere Empfehlungen für bestehende und eventuelle künftige Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen während einer möglichen „zweiten Welle“ der Pandemie ab: „Es sollten Notbetreuungen für Kinder geschaffen werden, die nicht nur Eltern in systemrelevanten Berufen zur Verfügung stehen“, sagt Janina Steinert. „Da Depressionen und Angstzustände das Gewaltpotential erhöhen, sollten psychologische Beratungen und Therapien auch online angeboten und ohne Hürden genutzt werden können. Frauenhäuser und andere Stellen, die Hilfen anbieten, müssen systemrelevant bleiben.“

    „Hilfe auch online anbieten“

    Die Wissenschaftlerinnen fragten zudem, ob die betroffenen Frauen Hilfsangebote kennen und genutzt haben:

    ● 48,2 Prozent der Opfer kannten die Telefonseelsorge, 3,9 Prozent hatten dort angerufen.
    ● 32,4 Prozent kannten das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, 2,7 Prozent hatten sich dorthin gewandt.
    ● 44,3 Prozent kannten das Elterntelefon, 21,5 Prozent hatten dort Hilfe gesucht.
    ● 5,5 Prozent kannten die Aktion „Codewort Maske 19“, bei der Apotheken die Behörden verständigen, wenn eine Kundin dieses Codewort sagt. 1,8 Prozent hatten diese Möglichkeit genutzt.

    „Wenn Frauen durch ihre Partner intensiv kontrolliert werden, können sie telefonische Beratungsangebote nur schwer nutzen. Hilfe sollte deshalb auch online angeboten werden, per Chat, Messenger und E-Mail“, empfiehlt Cara Ebert. „Die bestehenden Hilfsangebote müssen zudem besser in der Öffentlichkeit beworben werden, zum Beispiel durch große Plakate in Supermärkten und Apotheken sowie durch Onlineanzeigen.“

    Übersicht der Studienergebnisse:

    https://www.gov.tum.de/globalhealth/forschung/covid-19-and-domestic-violence/

    Mehr Informationen:

    ● Eine kleinere Umfrage der Wissenschaftlerinnen war im April in das regelmäßige „COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO)“ eingeflossen, in dem mehrere Forschungseinrichtungen die „psychologische Lage“ in Deutschland analysieren.
    https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/archiv/06-02/cosmo-analysis.html#16_häu...
    ● Die aktuelle Studie wurde gefördert von der Dr. Hans Riegel-Stiftung und der Joachim Herz Stiftung.
    ● Prof. Janina Steinert forscht an der Hochschule für Politik München (HfP) und der TUM School of Governance. Dr. Cara Ebert forscht am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.


    Quelle: https://idw-online.de/de/news748546


    Titel: Gesteigerte Depressivität während Corona-Kontaktbeschränkungen
    Beitrag von: admin am 09. Juni 2020, 11:10
    Pressemitteilung - PFH Private Hochschule Göttingen

    02.06.2020 16:51

    Studie an der PFH Göttingen: Symptombelastung bei Depressivität verfünffacht während Corona-Kontaktbeschränkungen

    Susanne Boll Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    PFH Private Hochschule Göttingen

      Die Maßnahmen zur Beschränkung des gesellschaftlichen Lebens während der COVID-19-Pandemie haben bei Depressivität die schweren Symptombelastungen verfünffacht. Darauf weisen die vorläufigen Ergebnisse eines neuen internationalen Forschungsprojekts der PFH Private Hochschule Göttingen unter Leitung von Prof. Dr. Youssef Shiban hin.

      "Aktuelle empirische Untersuchungen zeigen, dass Quarantänemaßnahmen von psychologischen Auffälligkeiten wie Depressivität und Stressreaktionen begleitet werden können. Die zur Eindämmung von Covid-19 eingeführten Maßnahmen könnten somit mit erheblichen Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden verbunden sein, die höchstwahrscheinlich weit über die akute Krise hinweg bestehen bleiben werden", erklärt Dr. Youssef Shiban, Professor für Klinische Psychologie an der PFH. Ein internationales Forscherteam unter seiner Leitung untersucht deshalb die Auswirkungen der Beschränkungsmaßnahmen. "Ziel unserer Studie ist es, das Befinden der Bevölkerung während der Einschnitte durch die Covid-19-Pandemie in das gesellschaftliche Leben zu dokumentieren, die belastenden Faktoren zu untersuchen sowie den Einfluss von Resilienzfaktoren, wie z. B. hilfreichen Emotionsregulationsstrategien zu erforschen", sagt Shiban.

      Bedeutender Anstieg der Symptombelastung
      Bis dato nahmen rund 2.000 Personen an dem Test teil. Eine erste Analyse der erhobenen Daten lässt bereits einen deutlichen Trend erkennen: Im Vergleich zu einer Normierungsstichprobe ergaben sich deutliche Veränderungen bei der Symptombelastung der befragten Personen. Insbesondere für die Depressivität ist in den vorläufigen Daten ein deutlicher Unterschied im Vergleich mit den Stichproben zu finden, die zur vor der Pandemie zu Normierung der Fragebögen herangezogen wurden, zu erkennen. Es ergibt sich eine Verfünffachung des Anteils an schwerer Symptombelastung im Vergleich zur Norm. Ein ähnlicher Trend zeichnet sich auch für die anderen erhobenen Störungen ab. So ist bei Essstörungen ein deutlicher Zuwachs bei einer mittleren und schweren Symptombelastung zu erkennen.

      "Zu Beginn der Pandemie haben wir mit einem Anstieg psychischer Belastung durch die Beschränkungsmaßnahmen gerechnet. Jetzt deutet sich an, dass diese erheblich sein könnten. Zur Einordnung kann man auf die Datenlage zu dem SARS-Ausbruch 2003 in Kanada schauen. In einer Studie von Hawryluck et al. (2004) zeigten sich bei 30 Prozent der von Quarantäne-Maßnahmen betroffenen Studien-Teilnehmer Symptome von Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen", so Shiban.

      Internationales Forscherteam
      Die Studie führt sowohl einen innerdeutschen Vergleich zwischen den verschiedenen Bundesländern als auch einen internationalen Vergleich mit den Ländern Kanada und Norwegen durch. Es bestehen Kooperationen mit der Universität Regensburg (Deutschland), der Inland Norway University of Applied Sciences (Norwegen) und der Carleton University (Kanada). Das Projekt wird im Rahmen des vom norwegischen Forschungsrat initiierten „BEDREHELSE“-Programms gefördert. Das internationale Forscherteam um Shiban erhebt Daten, die die Grundlage für weitere quantitative und qualitative Untersuchungen bilden sollen. Dabei werden belastende und schützende Faktoren herausgearbeitet, um psychologische Handlungsstrategien für den Umgang mit der Pandemie abzuleiten.

      "Da es sich um eine laufende Studie und somit um vorläufige Daten handelt, sind die Ergebnisse vorerst als Trend zu interpretieren. Wir streben eine baldige Veröffentlichung der Ergebnisse an, um Entscheidungsträgern einen frühestmöglichen Datenzugriff und auf deren Basis die Entwicklung geeigneter Strategien zu ermöglichen", sagt Shiban.

      Dr. Dipl.-Psych. Youssef Shiban ist Professor für Klinische Psychologie an der PFH Private Hochschule Göttingen. Er forscht zu Methoden der Konfrontationstherapie zur Bewältigung von Angststörungen. Zentraler Forschungsschwerpunkt von Shiban ist der Einsatz von Virtual Reality in der Therapie von Angststörungen. In der therapeutischen Arbeit befasst er sich unter anderem mit der Behandlung von Traumafolgestörungen, mit einem Fokus auf Kriegstraumata bei Geflüchteten.


      Quelle: https://idw-online.de/de/news748760