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Titel: Prüfbericht MdK Rheinland-Pfalz
Beitrag von: Multihilde am 04. März 2007, 11:24
http://www.aerztezeitung.de/docs/2002/02/25/036a0203.asp

Ärzte Zeitung, 25.02.2002  


HINTERGRUND
Drastische Mängel in der Pflege - eine Summe von Versäumnissen, und das Problem steckt im System

Von Eva Richter

Wieder einmal hat der Medizinische Dienst der Krankenkassen eines Bundeslandes - diesmal Rheinland-Pfalz - seinen Prüfbericht über die Situation in der Pflege vorgelegt, und wieder einmal ist das Ergebnis desaströs: Erhebliche pflegefachliche Mängel vor allem bei der Ernährung und der Dekubitusversorgung konstatierte der Medizinische Dienst, hinzu kommen strukturelle Mängel, zu viel unqualifiziertes Personal, mangelnde Planung und Dokumentation der Pflege.

Ministerium kündigt Konsequenzen an
Das Sozialministerium hat umgehend reagiert und will jetzt gemeinsam mit dem MDK "sehr schnell neue Strategien entwickeln", kündigte Staatssekretär Richard Auernheimer an. Vorgesehen sind flächendeckende Prüfungen der Pflegeeinrichtungen in zwei Modellregionen, jährlich mindestens ein Besuch der Heimaufsicht sowie eine Image-Kampagne für Pflegeberufe.

Kontrollen alleine reichen nicht aus
Kontrolle ist gut - aber reicht sie aus, das Problem in den Griff zu bekommen? Die Ursachen für die vielfach unzureichende Pflege allein bei den Pflegeeinrichtungen zu suchen, wäre zu kurz gegriffen. Der Problem steckt im System, ist eine Summe der Versäumnisse aller Beteiligten.

Beispiel pflegender Angehöriger: Er ist am dichtesten an dem Pflegebedürftigen dran, mit der Pflege aber häufig physisch und psychisch überfordert.

Beispiel Pflegeeinrichtung: Hier gibt es unzweifelhaft Defizite, zum Beispiel im Bereich Ernährung: So mußten 32 von 45 vom MDK aufgesuchten sondenernährte Heimbewohner täglich mit 1000 Kalorien auskommen. "Das ist eindeutig keine ausreichende Kalorienzufuhr", sagt Ursula Weibler-Villalobos, Leitende Ärztin beim MDK Rheinland-Pfalz. Notwendig wäre - abhängig vom Körpergewicht - eine deutlich darüber liegende Nahrungsmenge. Der MDK plant die Realisierung eines Modellprojektes zur Analyse der Ernährungssituation von Heimbewohnern und des Nahrungsbedarfs bei ausschließlich sondenernährten bettlägerigen alten Menschen. Ein oft vernachlässigter Bereich ist auch die Dekubitusversorgung: Bei 62 von 71 untersuchten Pflegebedürftigen mit Dekubitus gab es im ambulanten Bereich Defizite bei der pflegerischen Versorgung.

Beispiel Ärzte. Auch hier gibt es Defizite: Nach Auffassung des MDK ist nicht auszuschließen, daß Ärzte die Sondennahrung nicht immer ausreichend verordnen - oder nicht nachprüfen, ob ihre Verordnung auch so umgesetzt wurde. "Ärzte sollten genau wissen, welchen Nahrungsbedarf ein sondenernährter Patient hat. Und sie sollten regelmäßig das Gewicht kontrollieren oder kontrollieren lassen und gegebenenfalls nachjustieren", rät MDK-Ärztin Weibler-Villalobos. Auch eine regelmäßige Bilanzierung der aufgenommenen und ausgeschiedenen Flüssigkeit sei wichtig. Mehr Sorgfalt empfiehlt die Ärztin auch bei der Versorgung von Dekubitus: "Der Arzt sollte mit darauf achten, daß Wechseldruckmatratzen auch auf das richtige Gewicht eingestellt sind und keine Spannbettlaken tragen."

Mängel in der Pflege sind jedoch nicht nur auf die beteiligten Akteure zurückzuführen - auch die Politik hat ihren Anteil daran. Warum wird das Thema Pflegemängel erst jetzt zur Chefsache? Aus anderen Bundesländern, beispielsweise Schleswig-Holstein, ist dieses Problem schon lange bekannt. Hier hätte die Politik viel früher reagieren müssen.

Eine Image-Kampagne für die Pflege, wie von den Bundesländern Rheinland-Pfalz geplant und von Bayern und Baden-Württemberg bereits gestartet, kann angesichts der schlechten Vergütungssituation nur Kosmetik sein.

"Unser Handlungsspielraum wird durch verschärfte gesetzlichen Vorschriften bei gleichzeitig sehr knapp bemessener finanzieller Ausstattung der Pflegeeinrichtungen immer mehr eingeschränkt", klagt der Bundesverband privater Alten- und Pflegeheime und ambulanter Dienste. Der Arbeitgeber- und Berufsverband privater Pflege (ABVP) macht die zu geringen Vergütungssätze für die zunehmende Berufsflucht von Pflegefachkräften verantwortlich. "Wenn sich nicht kurzfristig eine Änderung ergibt, die es tatsächlich erlaubt, in der Pflege höhere Gehälter zu zahlen, wird sich der Fachkräftemangel künftig weiter verstärken", prophezeit der ABVP.

Auf den großen Wurf der Politik in Sachen Pflege will der MDK Rheinland-Pfalz allerdings nicht warten, sondern in kleinen Schritten die Situation verbessern: Ab dem zweiten Quartal dieses Jahres sollen spezielle Beratungsmodule etwa im Bereich Ernährung für Pflegeeinrichtungen angeboten werden.

50 000 Euro für Beratung
Das Land Rheinland-Pfalz unterstützt das für die Pflegeeinrichtungen kostenlose Angebot im ersten Jahr mit 50 000 Euro. Weibler-Villalobos will außerdem speziell für Ärzte einen Überblick über Nahrungsbedarf bei sondenernährten Patienten zusammenstellen.

Angedacht wird außerdem, ein eigenes Projekt zur Ernährungssituation von Pflegebedürftigen allgemein und die Kostenwirkung von Mangelernährung aufzulegen.

Erste Gespräche mit den Pflegekassen und interessierten Pflegeeinrichtungen haben bereits stattgefunden.


FAZIT
Der Prüfbericht des MDK Rheinland-Pfalz bringt es an den Tag: Die pflegerische Versorgung ist teilweise desaströs. Dies nur den Pflegeeinrichtungen anzulasten, wäre zu kurz gegriffen. Allein mit schärferen Kontrollen, wie vom aufgeschreckten Landessozialministerium jetzt angekündigt, wird dieses Problem nicht gelöst werden. Denn auch pflegende Angehörige und Ärzte sind bei der Pflege mitbeteiligt und müssen miteinbezogen werden, wenn eine Änderung der Zustände wirklich gewünscht ist.
 
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Prüfbericht 2005 siehe

http://www.mdk-rlp.de/

bzw. http://www.mdk-rlp.de/si_aktuell.html#qualipf2005