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Autor Thema: Pflegen bis zum Umfallen - Wenn Angehörige durchs Raster fallen  (Gelesen 4729 mal)
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« am: 26. August 2008, 00:36 »

Bayerischer Rundfunk - report MÜNCHEN (Sendung vom 25.08.2008)

Pflegen bis zum Umfallen –
Wenn Angehörige durchs Raster fallen

Autorin: Birgit Kappel

Michael Jörg aus Garmisch-Partenkirchen ist psychisch krank, schwerstkrank. Er leidet an Schizophrenie, ist psychotisch, hat epileptische Anfälle. Fremde Menschen kann er um sich herum nur schwer ertragen, sicher fühlt er sich nur in Gegenwart seines Vaters. Das war nicht immer so. Als Kind war Michael Jörg ein richtiger Wonneproppen, ein Einzelkind, der Stolz der ganzen Familie, intelligent und witzig, als Teenager sportlich, ein echter Womanizer. Doch dann kam die Krankheit, mit 18, fast über Nacht. Michael rastete aus, versuchte mehrmals sich das Leben zu nehmen. Es folgten Klinikaufenthalte meist in geschlossenen Anstalten: 44 Mal in 15 Jahren.

Dieter Jörg: "Ich habe ihn oft gefragt: 'Erkennst du mich überhaupt noch, wer ich bin?' Das war alles so verschwommen für ihn und da hab ich nach 15 Jahren gesagt, so kann es nicht weiter gehen, ich hab gesagt, ich nehm meinen Sohn mit nach Hause, weil ich gemerkt habe, wenn er bei uns zu Hause war, war er eigentlich immer ruhiger und besser zu haben als wie wenn er da in den Kliniken war."

Seit 20 Jahren lebt Michael Jörg jetzt wieder zu Hause bei seinen Eltern. Die Pflege seines Sohnes hat vor allem der heute 80jährige Dieter Jörg übernommen. Konkret bedeutet das bei einer solch schweren psychischen Erkrankung, eine rund-um-die-Uhr Betreuung. Für Außenstehende kaum vorstellbar.

Dieter Jörg: "Ich wurde zwar von den Ärzten und auch meiner Frau oftmals angehalten, die uns gesagt haben: 'Geben Sie ihren Sohn weg, das ist sinnlos, Sie sind überfordert, beide, Sie haben auch ein Recht auf Ihr Leben.' und ich habe gesagt, ich probiere es trotzdem."

Der Vater hätte es sich einfacher machen können. Den Aufenthalt in der geschlossenen Anstalt hätte die Kasse zahlen müssen, möglicherweise ein Leben lang. Umso unverständlicher, dass Dieter Jörg nun seit Jahren mit der Kasse um Kleinstbeträge vor Gericht kämpfen muss. Es geht um die sogenannte Verhinderungspflege. Ein Betrag von maximal 1.400 Euro pro Jahr, der pflegenden Angehörigen zusteht, die in Urlaub fahren wollen. Die Kasse zahlt dann die Ersatzpflege. Das Problem: Dieter Jörg muss seinen Sohn mit in den Urlaub nehmen, weil der sich von fremden Menschen nicht betreuen lässt. Die Kasse schreibt dazu: "Zwingende Voraussetzung für die Gewährung von Verhinderungspflege ist die Unterbrechung der Pflege durch die Pflegeperson [...] Da sie während des Urlaubsaufenthaltes die Pflege für ihren Sohn weiterhin sicherstellen, liegt hier keine Verhinderungspflege vor. Eine Kostenübernahme […] ist somit nicht möglich."

Dieter Jörg: "Seit Jahrzehnten habe ich denen gepredigt: 'Kinders, das ist hier ein Sonderfall, der fällt halt aus der Rolle raus.' Aber die Besserung bei meinem Sohn, die letzten 20 Jahre, die auch ärztlicherweise bestätigt werden und die auch stattgefunden hatten, die beweisen doch, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und da muss man halt mal drauf eingehen und muss nicht stur sagen: 'Nee, wir haben unsere Versicherungsbedingungen und unter diesen Bedingungen zahlen wir nicht, aus.'"

Dabei hat es im Jahr 2005 bereits eine Verhandlung vor dem Sozialgericht München gegeben. Die Ausführungen des Richters damals scheinen eindeutig. Er schreibt, "die Kammer habe keinen Zweifel, dass die Anspruchsvoraussetzungen uneingeschränkt erfüllt sind. […]
Eine gemeinsame urlaubsbedingte Abwesenheit sei essentiell erforderlich." Die Kasse zahlt daraufhin für das Jahr 2004 den Höchstsatz von 1.432 Euro. Doch an diesen Vergleich fühlt sich die DAK in den Folgejahren nicht gebunden. Alle weiteren Anträge werden abgelehnt. Wir wollen wissen, warum und bitten um ein Interview. Doch das bekommen wir nicht. Stattdessen erhalten wir per e-mail eine Stellungnahme: "Keinesfalls hat Verhinderungspflege das Ziel, gemeinsame Urlaube von Pflegeperson und zu Pflegendem zu finanzieren […] Gesetzliche Krankenkassen […] können keine Kulanzentscheidungen treffen, wenn diese offensichtlich rechtwidrig sind."

Wir zeigen den Fall einem der bekanntesten Pflegeexperten Deutschlands. Claus Fussek ist sich sicher, dass die Kasse sehr wohl Handlungsspielraum hätte und ist empört über die Stellungnahme der DAK.

Claus Fussek, Pflegeexperte: "Diese Stellungnahme ist unerträglich. Also, wir sprechen hier offensichtlich ja nicht von einem Erholungsurlaub. Man muss sich das einfach mal vorstellen. Normalerweise sagt die Familie: 'Wir brauchen endlich mal Abstand zu unserem Familienmitglied, wir geben ihn in ein Heim und erholen uns.' Das wäre die Logik. Nein, sie nehmen ihn mit, was mit Erholung mit Sicherheit nichts zu tun hat, sie haben bestenfalls einen Tapetenwechsel und müssen sich dann solch eine zynische Interpretation gefallen lassen."

Dabei hätte Familie Jörg wenigstens einen Tapetenwechsel dringend nötig. Anfang des Jahres hatte Dieter Jörg einen Herzinfarkt. Wie lange er überhaupt noch seinen Sohn betreuen kann, ist eh ungewiss. Nur dass dann wieder die Kasse einspringen muss, das ist so gut wie gewiss.

Quelle: http://www.br-online.de/daserste/report/archiv/2008/00501/
Gespeichert

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"Wir sind nicht nur für das verantwortlich,
 was wir tun, sondern auch für das,
was wir nicht tun" (Jean Molière)
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