"Die Hilfsindustrie" - Wie Politik in Wohlfahrt verstrickt ist

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Zitat aus einem Stern-Artikel vom 17.02.2011:

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Die Hilfsindustrie

Autor: Walter Wüllenweber

Von wegen selbstlose Samariter. Helfen ist ein Geschäft - und was für eins. Es ist die grösste Branche Deutschlands. Sie beschäftigt zwei Millionen Menschen, wächst siebenmal so schnell wie der Rest der Volkswirtschaft und verbraucht jeden sechsten Steuereuro. Ein Bericht über ein teures Wirtschaftswunder. ...

... Nach Recherchen des stern haben 35 Prozent aller Bundestagsabgeordneten eine Vorstands oder Leitungsfunktion in einem Hilfsunternehmen. Die Fraktion der Hilfsindustrie im Deutschen Bundestages hat mehr Abgeordnete als die CDU.

Nur selten bekommen Politiker für ihre Arbeit in gemeinnützigen Organisationen Geld. Aber fast immer Macht.

Das Engagement in der AWO, der Caritas, beim Roten Kreuz oder in einem Hilfsverein gehört zur
lokalen Hausmacht. Der Posten des örtlichen AWO-Vorstands etwa gilt in der SPD als Poleposition für die Besetzung des nächsten Landtags- oder Bundestagsmandats.

Die Helfer aus der Wohlfahrtswirtschaft können sich auf ihre Helfer in der Politik verlassen. Zuverlässig setzen die eine kontinuierliche Ausweitung der Hilfsansprüche in den Sozialgesetzbüchern durch. Und sie verhindern alle notwendigen Debatten darüber, was sich im Sozialmarkt ändern muss: mehr Transparenz und Kontrolle der Hilfsunternehmen.

Eine Deckelung der Ausgaben, wie sie im Gesundheitswesen seit Jahren selbstverständlich ist. Die Finanzierung nur von wissenschaftlich überprüften Hilfsmethoden.

Und natürlich eine Orientierung des Wachstums am tatsächlichen Bedarf. Darüber wird in der Politik nicht gesprochen.

Letztlich geht es um die Frage: Arbeiten die gemeinnützigen Unternehmen wirklich zum Nutzen der Allgemeinheit? Oder zu ihrem eigenen?

Wenn Wolfgang Hinte von der Uni Duisburg-Essen seinen Studenten erklären will, was im deutschen Sozialmarkt falsch läuft, dann erzählt er ihnen eine wahre Geschichte aus Indien.

Einst litten die Menschen in Indien unter einer furchtbaren Plage: Kobras. Da hatte der britische Gouverneur eine clevere Idee: Wer den Behörden eine getötete Kobra brachte, bekam eine Rupie. Was machten die Inder? Sie züchteten Kobras, massenweise.

Das Resultat waren mehr statt weniger Schlangen. Wirtschaftswissenschaftler nennen das heute den "Kobra-Effekt".

"Nach diesem Prinzip funktionieren die deutschen Hilfesysteme", sagt Wolfgang Hinte. "Wir finanzieren genau das, was wir eigentlich verhindern wollen."
Quelle: www.stern.de, Artikel vom 17.02.2011

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