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Autor Thema: PROTEST: „Bremer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ gegründet  (Gelesen 4336 mal)
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« Antworten #1 am: 03. August 2017, 10:16 »

Zitat
Pflege unter Druck

Eine Bremer Krankenschwester berichtet, wie sich Personalmangel in der täglichen Arbeit auswirkt


von SABINE DOLL

Bremen. „Es tut mir leid, ich kann Sie nur ganz schnell waschen. Wir sind heute wieder unterbesetzt.“ Carina W. (Name von der Redaktion geändert) weiß nicht mehr, wie oft sie diesen Satz in den vergangenen Jahren zu Patienten sagen musste. „Auf jeden Fall oft, und jedes Mal schämt man sich dafür“, sagt sie.

Die Bremerin hat als examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin auf einer Station für ältere Patienten in einem Bremer Krankenhaus gearbeitet. Davor, gleich nach ihrer Ausbildung, war sie Pflegekraft in der Chirurgie und auf einer Inneren Abteilung. Jetzt hat sie erst einmal genug vom Krankenhaus.

Inklusive ihrer Ausbildung hat Carina W. sechs Jahre auf unterschiedlichen Stationen gearbeitet. Sie wechselt zu einem ambulanten Pflegedienst, weil sie die ständige personelle Unterbesetzung, Druck und Stress und vor allem das schlechte Gewissen gegenüber den Patienten nicht mehr aushalten will, wie sie sagt.

Wie lange noch?
„Die Arbeit im Krankenhaus ist eigentlich mein Traumjob, das wollte ich immer machen. Menschen, die krank sind, darin unterstützen, dass es ihnen bald besser geht. Und sie begleiten, wenn keine medizinische Hilfe mehr möglich ist“, sagt die 24-Jährige. „Aber wenn nur noch Stress, wochenlange Dauerbelastung und das schlechte Gefühl gegenüber Patienten, Angehörigen und sich selbst da sind, fragt man sich irgendwann: Will ich das noch? Kann ich das noch? Und vor allem wie lange noch?“

So wie ihr gehe es vielen Kolleginnen und Kollegen, sagt Carina W. „Jeder gibt trotz allem das Beste, soweit das eben möglich ist. Und das hat auf Dauer seinen Preis. Es gibt viele, die wegen des Drucks krank werden oder auch aufhören, den Job wechseln oder in Teilzeit gehen.“ Die Folge: Sehr gut eingespielte Teams fielen auseinander, dadurch gingen viel Wissen und Qualität verloren.

Die regelmäßige Unterbesetzung auf den Stationen führe unter anderem dazu, dass Auszubildende und selbst jene, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolvierten, Arbeiten der Pflegekräfte übernehmen müssten. „Das sollte so nicht sein, gar nicht“, sagt die 24-Jährige. „Normalerweise werden FSJ-ler zum Beispiel für Hol- und Bringdienste eingeteilt, sie sollen Bestellungen auspacken, Patienten zu Untersuchungen begleiten, Essen verteilen, Botengänge erledigen, mit den Patienten. Das ist aber nicht die Realität. Wenn zu wenig Personal da ist, kommt es auch vor, dass sie Patienten waschen.“

Waschen ist nicht nur Hygiene
Das Waschen am Morgen sei viel mehr als notwendige und wichtige Körperhygiene, betont die 24-Jährige. Bei der sorgfältigen Körperpflege würden ausgebildete Pflegekräfte beispielsweise erkennen, ob es Druckstellen oder Wundgeschwüre durch das Liegen gebe und in welchem Allgemeinzustand sich der Patient befinde. „Ich kann sehen, ob die Schmerzmittel ausreichen, ich kann am Hautzustand erkennen, ob ein Patient Fieber hat. Und ich vermittele den Patienten Wohlbefinden, indem ich mich um sie kümmere.“

Wie wichtig das Waschen sei, werde in der Ausbildung vermittelt. Dafür bleibe aber im Stationsalltag immer weniger Zeit, kritisiert Carina W. Auszubildende in der Pflege anzuleiten, geschehe häufig im Schnelldurchgang. „Der Personalschlüssel ist auf vielen Stationen ohnehin zu knapp bemessen, und dann erst recht, wenn krankheitsbedingte Ausfälle da sind. Dann muss man Auszubildenden morgens auch schon mal die Waschschüssel in die Hand drücken und sie in die Zimmer schicken. Auch wenn sie das vorher noch nicht unter Anleitung getan haben.“

Es gebe zwar Springerpools, um Krankheitsausfälle zu kompensieren, aber die seien meist schon ausgeschöpft, weil sich die Situation auf allen Stationen ähnele. „Die Planbesetzung ist ein Witz“, sagt sie.

Nachtdienst belastet besonders
Als besonders belastend hat Carina W. die Nachtdienste empfunden. In der Chirurgie sei sie allein für über 30 Patienten zuständig gewesen. „Es kann auch sein, dass man für zwei Flure zuständig ist. Ist man auf einem Flur beschäftigt, dann hört man nicht, was auf dem anderen Flur eventuell passiert.“ Sie räumt ein, dass Arbeitsorganisation bei knapper Besetzung bedeute, dass Zeit gespart werden müsse: „Da überlegt man zum Beispiel, ob man einen Patienten aus dem Bett in einen Rollstuhl setzt, wenn dies ohnehin nur für zehn Minuten ist. Oder ob man einem Patienten Hosenträger anzieht, weil es Zeit kostet, wenn er zur Toilette begleitet wird und das alles wieder ausgezogen werden muss.“ Immer wieder würden Pflegeteams formal anzeigen, dass sie überlastet seien, berichtet die Bremerin. „Aber was bringt das, wenn doch keine neuen Pflegekräfte eingestellt werden und der Personalschlüssel so bleibt?“

Carina W. zählt ihre Arbeit in einer Schicht auf: Die Patienten werden am Morgen gewaschen, Vitalwerte wie Blutdruck gemessen, vor allem ältere Patienten, etwa mit Schluckstörungen, müssen beim Essen unterstützt werden. Die Anordnungen der Ärzte sind umzusetzen, Wundverbände zu wechseln, Zugänge zu entfernen und zu legen. Medikamente für jeden Patienten müssen gerichtet, mit Angehörigen gesprochen, Auszubildende angeleitet und jede Tätigkeit dokumentiert werden. „Wenn man sich nicht konzentriert oder immer wieder die ursprüngliche Arbeit unterbrechen muss, können Fehler passieren. Vor allem natürlich dann, wenn zu der ohnehin knappen Personaldecke noch Ausfälle kommen.“

Die Ausstattung des Personals entspreche aus ihrer Sicht nicht der Bettenbelegung: „Das klafft sehr weit auseinander. Jedes Zimmer muss belegt sein, weil ein Krankenhaus eben auch ein Unternehmen ist.“ In der Chirurgie habe sie erlebt, dass mehr Patienten aufgenommen worden seien, als es Plätze gab. „33 Betten waren vorgesehen, 40 Patienten wurden aufgenommen. Dann wurde ein Bett eben auch im Patientenbad geparkt oder auf dem Flur. Das Team der Pflegekräfte wurde nicht aufgestockt.“

„Der Beruf bleibt toll“
Carina W. will nach ihrer Pause irgendwann wieder ins Krankenhaus zurückkehren. „Vielleicht ändert sich ja doch etwas, ­vielleicht wird es besser. Der Beruf ist und bleibt einfach toll. Es ist zum Beispiel ein wahnsinnig schönes Erlebnis, wenn man ­dafür sorgen konnte, dass eine ältere ­demente Patientin ein Glas Wasser mehr trinkt. Oder wenn eine schlecht heilende Wunde durch die gute Versorgung nun doch heilt. Am liebsten würde ich sagen, so ­seltsam das auch klingen mag: Kommt alle in die Pflege.“
Quelle: www.weser-kurier.de, 03.07.2017
« Letzte Änderung: 03. August 2017, 10:17 von admin » Gespeichert

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« am: 03. August 2017, 10:03 »

Zitat
Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus
Bremer Pflegekräfte gehen auf die Barrikaden

In deutschen Kliniken fehlen Tausende Pflegekräfte. Bremer Beschäftigte wollen das nicht mehr hinnehmen und haben deshalb das „Bremer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ gegründet.

von SABINE DOLL

Bremen. „Jetzt reicht es, deshalb organisieren wir uns in einem neuen Bündnis und werden der Öffentlichkeit zeigen, wie es im Krankenhaus tatsächlich aussieht. Darüber wollen wir stärkeren Druck auf die Politik ausüben“, sagt Ariane Müller. Sie hat vor mehr als 40 Jahren ihre Ausbildung zur Krankenschwester in Berlin absolviert, seit vielen Jahren arbeitet sie in Bremen im Nachtdienst auf einer Intensivstation im Klinikum Bremen-Mitte. Und: Sie hat das „Bremer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ gegründet, das am Mittwoch offiziell vorgestellt worden ist. Es richtet sich an alle Krankenhäuser und ihr Pflegepersonal im kleinsten Bundesland.

„In allen Bremer Kliniken ist eine prekäre Situation erreicht“, sagt Roman Fabian, Betriebsratsvorsitzender des Krankenhauses Links der Weser, das zum größten Klinikbetreiber im Bundesland, der Gesundheit Nord (Geno), gehört. Der Betriebsrat unterstützt das Bündnis, ebenso wie die Gewerkschaft Verdi. „Alle haben die gleichen Probleme, auf den Stationen fehlen examinierte Pflegekräfte. Weil aus wirtschaftlichen Gründen grundsätzlich zu wenige eingestellt werden. Dazu kommt, dass es einen Fachkräftemangel gibt und die Kliniken im Wettbewerb um das Personal stehen.“

Wegen dieses akuten Mangels würden die Kliniken aus der Not heraus Rettungs- und Stationsassistenten und sogar Sekretärinnen für pflegeferne Tätigkeiten auf den Stationen, etwa für die Dokumentation, einsetzen. Fabian: „Es ist ein Punkt erreicht, an dem man den Personalmangel auf den Stationen nicht mehr verantworten kann.“ Schichten wie Früh- oder Nachtdienst seien oftmals nur mit einer examinierten Pflegekraft besetzt. „Eine Person in einer Schicht bedeutet gefährliche Pflege“, betont der Betriebsratsvorsitzende. Das Bündnis fordert den Bremer Senat auf, sich für eine personelle Mindestbesetzung für jede Schicht in den Krankenhäusern des Landes einzusetzen und sich auch im Bund für einen gesetzlich festgelegten Personalschlüssel stark zu machen.

Vor einer Woche hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) die Ergebnisse einer Befragung zur Personalausstattung auf den Intensivstationen vorgestellt: Danach fehlen Tausende Pflegekräfte in den deutschen Kliniken. 53 Prozent der Krankenhäuser hätten Probleme, Fachpersonal für Intensivstationen zu finden. Jedes vierte verfehle Personalvorgaben, wonach auf zwei Patienten eine fachweitergebildete Vollzeitpflegekraft kommen soll. Im statistischen Mittel sei das Verhältnis 2,2 Patienten je Fachkraft. Die Empfehlungen würden damit zwar in etwa erreicht. Die DKG bezeichnet den Wert als „objektiv gut“, Entwarnung bedeute das aber nicht. Mehr Hilfe der Politik, vor allem Geld, sei notwendig, um dem sich verschärfenden Fachkräftemangel in den Krankenhäusern – nicht nur auf den Intensivstationen, sondern in allen Abteilungen – entgegenzuwirken. Ariane Müller erlebt die Folgen des Fachkräftemangels auf ihrer Intensivstation fast täglich: „Wir haben 16 Betten, pro Schicht sollen es sechs Pflegekräfte sein, häufig sind wir aber nur zu fünft. Damit überschreiten wir die Vorgabe.“

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat in diesem Sommer ein Gesetz auf den Weg gebracht, wonach die Krankenhäuser ab 2019 für besonders „pflegesensitive Bereiche“ wie Intensivstationen und  Nachtdienst sogenannte Personaluntergrenzen einführen sollen. Bei Pflegekräften und Gewerkschaften löst dies Empörung aus: „Jeder Bereich im Krankenhaus ist pflegesensitiv“, sagt Jörn Bracker, Gewerkschaftssekretär für den Fachbereich Gesundheit bei Verdi. „Wir fordern einen festen Personalschlüssel als gesetzliche Vorgabe für alle Bereiche. Würde man nur zwei Bereiche als pflegesensitiv identifizieren, käme es zu einem großen Verschiebebahnhof beim Personal, und das würde an anderen Stellen Lücken reißen“, befürchtet er.

Wettbewerb um Fachpersonal
In den Krankenhäusern sei das Problem für die Zukunft erkannt, sagt Geno-Sprecher Rolf Schlüter. „Wir sind noch entspannt und befinden uns mit den vier Kliniken nicht in einer Notlage. Aber wir merken, dass es schwieriger wird, Fachkräfte zu bekommen.“ Grund sei der Wettbewerb der Krankenhäuser um die Fachkräfte, es würden zudem zu wenige ausgebildet. „Da stehen wir in Bremen noch nicht gut da.“ Examinierte Pflegekräfte könnten sich aufgrund dieser Situation den Job aussuchen, derzeit seien die Krankenhäuser als Arbeitgeber noch attraktiv. „Aber wir stellen fest, dass zunehmend ambulante Pflegedienste eine Berufsperspektive für die Fachkräfte sind“, so Schlüter.

Roman Fabian gibt vor allem der Politik die Schuld an der Situation: „Die Kliniken haben kein Geld, weil die Bundesländer – auch Bremen – ihrer Pflicht nicht nachkommen, ausreichend Investitionsmittel bereitzustellen.“ Die Kliniken müssten erforderliche Investitionen selbst finanzieren – „auf Kosten des Personals und letztlich der Patienten“, betont der Betriebsratsvorsitzende. Für Bündnis-Sprecherin Ariane Müller müssen sich vor allem die Arbeitsbedingungen durch mehr Personal verbessern. „Das ist der Grund, warum viele Pflegekräfte nach nur wenigen Jahren das Krankenhaus  als Arbeitsplatz verlassen. „Ständige Überlastung und Druck machen krank.“
Quelle: http://www.weser-kurier.de/deutschland-welt/deutschland-welt-politik_artikel,-bremer-pflegekraefte-gehen-auf-die-barrikaden-_arid,1631742.html, 03.07.2017
« Letzte Änderung: 03. August 2017, 10:07 von admin » Gespeichert

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