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Autor Thema: ABSURD: Akademiker in der Pflege unerwünscht?!  (Gelesen 3724 mal)
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« am: 18. Mai 2015, 10:30 »

Zitat von: WESER-KURIER, 17.05.2015
Viel Wissen, wenig Geld

VON ANTJE STÜRMANN

Bremen. Sie sind top ausgebildet: Marie Schmidt, Sabrina Koch und Charlotte Schreiber* studieren an der Hochschule Osnabrück. Sie wollen in der Pflege arbeiten, und sie sind fleißig. Beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben, möchte man meinen. Schließlich fehlt es in der Pflegebranche an gut qualifizierten Kräften. Doch weit gefehlt. Die drei jungen Frauen aus Bremen sind – so scheint es – für den Arbeitsmarkt überqualifiziert. Die Arbeitgeber möchten ihr akademisches Wissen gern zum Nulltarif nutzen.

Doch das lehnen die künftigen Bachelors ab. Sie sprechen für ihren gesamten Studiengang. Den ersten, den die Hochschule Osnabrück mit einer Pflegeschule im niedersächsischen Quakenbrück dreifach ausgebildet in die Berufswelt entlässt. „Wir schließen Ende September ein vierjähriges duales Studium der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege ab“, sagt Marie Schmidt. Sie und ihre Mitstudentinnen möchten gern als Gesundheits- und Krankenpflegerinnen mit Bachelor in Krankenhäusern arbeiten. Geeignete Stellen gibt es aber offenbar nicht.

Bessere Qualität in der Pflege

Ihre Namen wollen die jungen Frauen nicht in der Zeitung lesen, aus Angst, mit ihrer Kritik potenzielle Arbeitgeber zu verschrecken. Während ihres Studiums haben Fast-Bachelors in Blöcken abwechselnd an der Hochschule, in einer Pflegeschule und in Krankenhäusern gelernt mit dem Ziel: „in der Praxis die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse individuell umzusetzen“, sagt Sabrina Koch. Wenn man sie ließe, dann könnten sie zum Beispiel in den Bereichen Wundmanagement, Inkontinenz und Stürze helfen, die Patienten besser zu versorgen. Sie würden Pflege transparenter gestalten und Personal schulen, sodass keine Informationen über den Zustand eines Patienten verloren gehen können. Die Bachelor-Studenten könnten Pflege so organisieren, dass das Personal weniger wechselt und Demenzkranke durchgängig von nur einer Person betreut werden. „Das würde dieser ein Gefühl der Sicherheit und der Verantwortung geben“, weiß Marie Schmidt. Pflegefehler könnten vermieden, Prozesse optimiert und damit die Qualität der Pflege langfristig gesichert werden, ist ein Mitstudent überzeugt.

Es sind nur einige wenige Beispiele, wie Marie Schmidt, Sabrina Koch und Charlotte Schreiber Pflege professionalisieren wollen. Eine Forderung, die Lobbyverbände und Arbeitgeber seit Jahren formulieren. Die steigenden Anforderungen in der Pflege, argumentieren sie, machen hoch qualifiziertes Fachpersonal nötig.

Personal, das immensen seelischen Druck aushält, körperlich schwere Arbeit leistet und medizinisch wie psychologisch bestens geschult sein muss. „Pflegen heißt heute nicht mehr nur, die Wunden eines schwer kranken Kindes zu versorgen“, erläutert die 22-jährige Marie Schmidt. „Informationen müssen gesammelt, dokumentiert und für die Eltern und das Kind aufbereitet werden. Pflegende müssen rechtliche Dinge klären und die Interessen des Patienten gegenüber Ärzten und Physiotherapeuten vertreten.“ Darüber hinaus würden die Eltern für die Pflege zu Hause angeleitet und Kontakte zu Pflegediensten hergestellt. „Wir fangen die seelische Belastung der Eltern auf und geben Tipps, was für das kranke Kind am besten sein könnte.“ Dazu müssten Pflegekräfte den jungen Patienten sicher beurteilen können.

Die Absolventen des berufsbegleitenden Studiengangs „Pflege“ sind dazu in der Lage. Doch: Es fehlen Arbeitsstellen, auf denen sie ihr Wissen einbringen können. Bislang gebe es noch keine Berufsbeschreibung für die Pflege-Bachelors, beklagen sie. Weil auch viele Arbeitgeber im Land nicht wissen, wie sie die neue Generation Pflegekräfte einordnen sollen, versuchen sie offenbar, die künftigen Absolventen mit Hinhaltetaktiken und unter Druck zu bewegen, Verträge als Pflegefachkräfte zu unterschreiben und sich unter Wert bezahlen zu lassen. Marie Schmidt berichtet: „Zuerst wollte man nicht hören, dass ich den Bachelor mache. Als ich hartnäckig blieb, hat der Arbeitgeber nicht mehr persönlich mit mir gesprochen und mich immer wieder vertröstet.“ Sabrina Koch ist darüber wütend: „Während der Ausbildung hat man uns immer wieder versichert: Ihr werdet in der Praxis gebraucht und von den ausbildenden Einrichtungen übernommen. Aber niemand hat uns gesagt, dass wir als reguläre Pflegekräfte arbeiten und so auch verdienen sollen.“ Auf diese Weise würden die Bachelors nach eigenen Angaben monatlich bis zu 600 Euro brutto einbüßen. Sabrina Koch: „Keiner hat Ahnung, wie er uns anstellen soll.“ Das gehe soweit, dass Arbeitgeber ihr das Fachwissen absprechen. „Mir wurde gesagt, ich könne ja nicht nachweisen, dass ich zusätzlich qualifiziert bin“, sagt die 23-Jährige.

Auch Charlotte Schreiber ist empört: „Ich frage mich, warum bilden sie uns aus, wenn es keine adäquaten Stellen gibt?“ Ihr sei angeboten worden, als Krankenschwester zu arbeiten und auch so zu verdienen. Das zusätzliche Wissen müsste sie nach Feierabend einbringen. Dazu seien sie nicht bereit. Die angestrebte Professionalisierung der Pflege werde scheitern, befürchten die Bachelor-Studenten.

Martina Kleine Bornhorst vom Vorstand des Caritas-Verbandes gibt zu: „Stellen für Bachelors sind bis jetzt nicht vorgesehen. Wenn wir die Professionalisierung der Pflege voranbringen wollen, brauchen wir aber Leute, die abstrakter denken und wissenschaftliche Erkenntnisse einbringen.“ In der Praxis jedoch fehle für entsprechende Stellen das Geld. „Das ist das bittere Alltagsgeschäft“, sagt Kleine Bornhorst. Bei der Caritas gebe es im Pflegebereich eine Stelle im Managementbereich. Die sei besetzt.

Im Klinikum Bremen-Mitte indes arbeiten fünf Bachelors im Qualitätsmanagement und in der Qualitätssicherung. Diese Arbeitsstellen hat die Geschäftsleitung extra geschaffen. „Wir haben ein starkes Interesse daran, akademische Pflegekräfte zu bekommen“, sagt Krankenhausdirektorin Daniela Wendorff. Grund: Die Akademiker belegen, „dass wir gute Arbeit leisten, und die Krankenkassen überweisen aufgrund dessen Geld. So rentiert es sich innerhalb kürzester Zeit, dass wir die Akademiker besser bezahlen als normale Pflegekräfte“, sagt Wendorff. Sie ist überzeugt, dass sich die Pflege in einer Übergangsphase befindet. „In zehn bis 15 Jahren werden alle, die schwer kranke Patienten pflegen, intensiver geschult sein als heute. Diese Kräfte müssen dann besser bezahlt werden als die heutigen Pflegekräfte.“ Gerade hat Wendorff sechs spanische Bachelor eingestellt, die direkt mit Patienten arbeiten. Marie Schmidt, Sabrina Koch und Charlotte Schreiber empfiehlt sie dringend, sich als Gesundheits- und Krankenpflegerinnen anstellen zu lassen, besondere Aufgaben zu übernehmen und danach eine bessere Bezahlung einzufordern.

Jobs für Akademiker fehlen
Unterstützung bekommen die Bachelors von der Gewerkschaft ver.di. Uwe Schmid glaubt, dass die Arbeitgeber flächendeckend versuchen, durch die Hintertür Akademiker in die Pflege zu holen, dafür aber keine Strukturen anbieten. Schmid ist bei ver.di für den Bereich Gesundheit zuständig. Eine Notwendigkeit für die Akademisierung der Pflege sieht er nicht. Er fordert dass Krankenhäuser, die entsprechende Studiengänge mitfinanzieren, den Absolventen künftig auch passende Arbeitsplätze anbieten müssen.

Ein Lichtblick, aber die Zeit drängt. „Wir brauchen jetzt Stellen und Zusagen, aber keiner fühlt sich verantwortlich“, moniert Sabrina Koch. Politiker, Bürgermeister, Geschäftsführer von Krankenhäusern haben die Absolventen schon um Hilfe gebeten – ohne Antwort. Fast alle der 34 Absolventen ihres Studiengangs suchten sich deshalb eine Alternative zur Arbeit in der Pflege: Die meisten wollen nun Berufsschullehrer werden – auch Charlotte Schreiber. Sabrina Koch hingegen will weiterstudieren und ihren Pflege-Master machen, obwohl voraussichtlich erst in zwei Jahren entschieden wird, ob es diesen Abschluss überhaupt geben soll.

Allein Marie Schmidt verhandelt mit der Leitung eines Krankenhauses über eine Anstellung als Kinderkrankenpflegerin.

In Bremen werden 2016 die ersten Bachelors ihr Studium beenden. Marie Schmidt, Sabrina Koch und Charlotte Schreiber kämpfen auch für deren beruflichen Einstieg.

*Namen von der Redaktion geändert
Quelle: http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-politik-wirtschaft_artikel,-Pflege-Bachelors-auf-Arbeitssuche-_arid,1124566.html



KOMMENTAR:

ABSURD: Akademiker in der Pflege unerwünscht?!

Die absurde Situation im gesamten Pflegebereich ist seit sehr vielen Jahren bekannt: Es werden einerseits händeringend Fachpflegekräfte gesucht, andererseits wird nichts gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und prekären Arbeitsverhältnisse unternommen. Dennoch handeln weder Politik noch Arbeitgeber entsprechend, um das Problem zu lösen.

Die gleichen Anbieter, die sich im "Bündnis für gute Pflege", zu Kundgebungen und Veranstaltungen in die Öffentlichkeit begeben, sorgen weiterhin dafür, dass sich nichts verändert! Alles nur Lippenbekenntnisse und Beruhigungdrops? Es scheint tatsächlich so zu sein.

Das Märchen vom Fachkräftemangel: Der Wirtschaftsexperte Karl Brenke bezweifelte in einem Rundfunk-Interview des RBB bereits im Juni 2012, dass es einen Mangel an Fachkräften überhaupt gibt. Und es scheint tatsächlich so zu sein. Wie sonst ist es zu verstehen, dass Fachkräfte in diesen physisch und psychisch sehr belastenden Berufen unter schlechten Arbeitsbedingungen, häufig nur befristet, als Leiharbeitskräfte (z.T. in eigenen Firmen outgesourced) und geringer Bezahlung beschäftigt werden?

Wer oder was aber kann diese absurde Situation ändern? Pflegekräfte können selbst mithelfen, indem sie sich in Gewerkschaften, Berufsverbänden und Aktionsbündnissen zusammenschließen und sich nicht mehr ausbeuten lassen. Aktuell zeigen Zugführer- und Kita-Streiks, wie es geht. Und wir alle als Gesellschaft sind ebenfalls gefordert. Wir sollten die Pflegekräfte unterstützen! "Warum?" Gegenfrage: Wollen Sie bei eventuell eigener Pflegebedürftigkeit unter den derzeitigen Bedingungen versorgt werden? Es ist Zeit zu handeln!


* Pflege-Akademiker-ohne-Job_wk150517.jpg (273.01 KB, 543x1479 - angeschaut 1112 Mal.)
« Letzte Änderung: 18. Mai 2015, 14:43 von admin » Gespeichert

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