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News: BGH stärkt Verbraucherrechte von Pflegeheimbewohnern

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Autor Thema: Die Würde des Menschen ist unantastbar – auch in einer Pflegeeinrichtung?  (Gelesen 3574 mal)
Multihilde
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« am: 04. Mai 2009, 12:50 »

Die Würde des Menschen ist unantastbar –
auch in einer Pflegeeinrichtung?


von Inge Jefimov
Mitglied des Ausschusses
für Frauenpolitik
im SoVD

Vier Jahre habe ich in einer Pflegeeinrichtung gelebt und bin mit offenen Augen durch diese Einrichtung gerollt. Viele Gespräche mit den anderen Bewohnern dort, aber auch mit Menschen in anderen Einrichtungen, haben in mir die Erkenntnis reifen lassen, dass meine persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse leider kein Einzelfall sind, sondern so oder ähnlich offensichtlich allgemein Gültigkeit haben.

Tag für Tag sah ich mich mehr oder weniger schwerwiegenden Verletzungen der Menschenwürde ausgesetzt: Unter Missachtung der Privat- und Intimsphäre betraten unaufgefordert Wäsche- und Reinemachefrau oder Pflegepersonal das Zimmer – ohne anzuklopfen, ohne ein „Herein!“ abzuwarten. Saß ich auf der Toilette, nackt unter der Dusche oder hatte ich Besuch – egal. Manchmal hatte ich Glück und der ungebetene Gast fiel gleichsam unter leisem Klopfen mit der Tür in mein Zimmer.

Zudem musste ich mich fast täglich auf neue Gesichter meiner Überraschungsgäste einstellen. Und dies nicht, weil sich die Einrichtung den „Luxus“ einer hohen Personaldecke leistete, nein, es waren die vielen Gesichter aus Zeitarbeitsfirmen und von Teilzeitbeschäftigten. Schlechte Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung fördern geradezu den steten Personalwechsel. Den Bewohnern wird damit ein Stück Verlässlichkeit und die Möglichkeit des Aufbaus eines Vertrauensverhältnisses genommen.

Dann der stete Kampf um die Achtung der eigenen Persönlichkeit: Plump werden die älteren Menschen größtenteils distanzlos geduzt und wie unmündige, kleine Kinder behandelt. Und warum gehört z.B. nicht auch die gleichgeschlechtliche Pflege, zumindest in Fällen, in denen dies ausdrücklich gewünscht wird, zur Selbstverständlichkeit? Gegenwehr findet in den wenigsten Fällen statt – aus Angst vor Repressalien. Wer von den Heimbewohnern hat schließlich noch Angehörige, die sich kümmern? Sei es, dass es tatsächlich niemanden mehr gibt, der zumindest in der Nähe wohnt, sei es, dass die letzten familiären Bande spätestens mit dem Einzug ins Heim von den Angehörigen gekappt werden. Und dieser Umzug findet oft nicht freiwillig statt. Schnell geht’s z.B. vom Krankenhausaufenthalt ins Heim. Dabei könnten viele der derzeitigen Heimbewohner ambulant in ihrer bisherigen, vertrauten Umgebung zu Hause verbleiben und betreut werden. Was hierfür fehlt, ist ein gut ausgebautes Netz ambulanter, wohnortnaher Versorgung. Selbstverständlich werden wir auch in Zukunft für bestimmte Personengruppen nicht auf stationäre Einrichtungen verzichten können. Hier ist jedoch dafür Sorge zu tragen, dass diese Häuser so klein als möglich gehalten werden, um so auch eine gewisse familiäre Atmosphäre bieten zu können. Auf jeden Fall muss auch sichergestellt sein, dass diejenigen, die es wollen, in ein Einzelzimmer ziehen können. Die standardmäßige Unterbringung in Doppelzimmern ist eine Zumutung. Damit wird im Alter auch der letzte Rest von Privatsphäre genommen. Ich habe in den Jahren einige Menschen kennengelernt, die liebend gerne aus der stationären Einrichtung wieder ausgezogen wären in eine eigene Wohnung, die dieses auch bei entsprechend sichergestellter Pflege und Betreuung daheim schaffen könnten. Aber auf sich allein gestellt sehen sich diese Menschen unüberwindbaren Hürden ausgesetzt – behördliche Hilfestellung? Fehlanzeige! Dieses habe ich selber erfahren müssen: Vom Engagement und Verständnis des jeweiligen Sachbearbeiters im Sozial-/Grundsicherungsamt abhängig (wer von den Durchschnittsrentnern ist nicht zumindest auf ergänzende Leistungen angewiesen?) entscheidet sich mein weiterer Lebensweg. Ein den älteren Menschen ggf. „zur Seite“ gestellter Betreuer hat bei zwei Stunden bezahlter Betreuung pro Fall im Monat darüber hinaus auch nicht wirklich die Zeit, die nötig wäre, sich einzelfall- und situationsgerecht zu kümmern.

Ist eine stationäre Unterbringung unumgänglich oder entscheide ich mich (oder entscheiden sich mein Betreuer oder meine Angehörigen) bewusst für diese Wohnform, so müssen klare und verständliche Bewertungskriterien der verschiedenen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, die mir eine qualitätsorientierte Entscheidungsfindung ermöglichen.

In diesem Zusammenhang ist der jetzt gefundene Konsens, Pflegeheime einer vergleichenden Bewertung zu unterziehen und insbesondere diese auch offenzulegen, grundsätzlich zu begrüßen.

Auf den ersten Blick erscheint das System und die Idee einer Benotung von Pflegeheimen sinnvoll. Auch die Aufgliederung in 5 Bereiche und die Kriterienlisten erwecken zunächst den Eindruck, dass hier doch ei-ne ganze Menge Punkte abgefragt werden. Knapp die Hälfte der Fra-gen (35 von 82) betreffen die pflegerisch-medizinische Versorgung. Nun werden auch 10 Fragen zum Angebot für Demenzkranke gestellt, 10 weitere Fragen zielen auf soziale Betreuungsangebote, 9 Fragen wer-den zum Bereich Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene gestellt. Außerdem, was ganz neu ist, sollen Bewohner gefragt werden.

Bei näherer Betrachtung kommen jedoch starke Zweifel auf, dass sich auf diese Weise die Spreu vom Weizen trennen lässt.Selbst das menschlich schlechteste Heim dürfte in der Lage sein, die zur Erzielung guter Noten erforderliche Dokumentation vorzulegen. Geprüft wird nämlich einzig und allein, ob bestimmte Vorschriften eingehalten und eigentlich selbstverständliche Betreuungsangebote gemacht werden. In welcher Qualität diese erbracht werden und mit welchem Resultat, wird mit diesem Frage-Antwort-System nicht erfasst. Das Prüfverfahren bewegt sich einzig auf der Strukturebene. Folglich gibt die Note lediglich bekannt, inwieweit das Heim bestimmte Strukturrichtlinien erfüllt oder nicht. Damit ist keineswegs sicherzustellen, dass Häuser mit der besseren Pflegequalität auch die besseren Noten bekommen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass Heime mit einer guten Ergebnisqualität schlechter abschneiden als solche, die hauptsächlich Wert darauf legen, im Falle der Prüfung die geforderte Dokumentation vorlegen zu können.

Es ist bedauerlich, dass die Chance vertan wurde, ein Bewertungssystem einzuführen, welches Anreize zur Verbesserung setzt und nicht alleine dazu führt, den Dokumentationswahn zu verstärken. Mit dieser Form der Bewertung werden die Verbraucher (Bewohner und Angehörige) förmlich in die Irre geleitet, wenn sie einer guten MDK-Bewertung vertrauen und nicht bedenken, worauf sich diese bezieht.

Quelle: SoVD-Monatszeitung Mai 2009
Frauen im SoVD - das Thema
http://www.sovd.de/fileadmin/downloads/sovd-zeitung/sovd_2009_05_s04.pdf/


« Letzte Änderung: 04. Mai 2009, 12:56 von Multihilde » Gespeichert
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