Nach Disput in Seniorenheim: Vertrauensverhältnis zerstört

[Multihilde]

Nach Disput in Seniorenheim: »Vertrauensverhältnis zerstört

Butzbach / Gießen (khn). Am Ende war eine demenzkranke Seniorin die Leidtragende. Vorangegangen war ein Gespräch, das schlichten sollte, aber eskalierte. Nun stehen sich zwei Parteien unversöhnlich gegenüber: die Leitung des Seniorenheims Rosengarten und ein 48-jähriger Gießener, der die Mutter seiner Lebensgefährtin in dem Kirch-Gönser Heim untergebracht hatte.

»Eigentlich wollte ich ein Gespräch von Kollege zu Kollege führen«, sagt der Beschwerdeführer, der selbst jahrelang Leiter eines Seniorenheims gewesen ist. Ihm seien bei Besuchen in dem Heim Mängel aufgefallen. »Doch als endlich ein Gespräch mit der Heimleitung zustande kam, wurden wir nach zwei Minuten hinausgeworfen«, sagt der Gießener, »außerdem erklärte man uns, dass wir die alte Dame gleich mitnehmen könnten«.

Die zuständige Heimaufsicht in Gießen einzuschalten, habe er damals noch nicht geplant. »Wo Menschen am Werk sind, passieren Fehler«, sagt der 48-Jährige. »Da muss dann aber auch Kritik angehört und angenommen werden.« Er habe beobachtet, wie Medikamente von einer Hilfskraft ausgegeben worden seien, »das darf nur nach Weisung einer examinierten Pflegekraft geschehen«. Die Hilfskraft habe aber sogar zugegeben, die Medikamente der demenzkranken Seniorin gegeben zu haben, ohne zu kontrollieren, ob sie die Pillen auch wirklich schlucke. Auch Hygienemängel stehen auf der Liste des Gießeners. Pläne zur Reinigung oder Desinfektion seien nicht vorhanden gewesen. Tagelang seien Toiletten nicht gesäubert worden. Ein weiteres Problem: Es ist gesetzlich geregelt, dass das Essen nicht vor einer bestimmten Uhrzeit serviert wird. »Das Abendessen gab es aber viel früher. So konnte früher Feierabend gemacht werden.« Das Paar verlangte ein Gespräch mit der Heimleitung. »Der erboste Chef wies uns nach ein paar Minuten die Tür und kündigte auch der Mutter meiner Partnerin den Vertrag.« Der Grund? »Er wollte sich von mir nicht belehren lassen«, mutmaßt der Kritiker. In der Zwischenzeit habe man einen neuen Platz für die Seniorin gefunden.

Heimleiter Abdelkrim Brahimi und die stellvertretende Pflegedienstleiterin Evelin Hasselberg haben eine andere Sicht der Dinge. »Das Vertrauensverhältnis war einfach zerstört«, sagt der gebürtige Algerier. Wie konnte es dazu kommen? Der Gießener habe an einem Wochenende - »wo wir sowieso mit einer dünneren Personaldecke arbeiten« - eine Schwester angegangen, sofort müsse er mit der Heimleitung sprechen. »Dabei hatten wir der Familie im Vorgespräch gesagt, dass sie immer einen Termin mit uns vereinbaren kann, um Probleme anzusprechen«, sagt Hasselberg. Erst im Gespräch habe der Mann alle Karten offen auf den Tisch gelegt, sagt sie: »Er hatte uns bis dahin verschwiegen, dass er selbst als Heimleiter gearbeitet hat. Er hatte bisher immer nur gesagt, er sei in diesem Bereich tätig gewesen.« Daraufhin kippte die angespannte Stimmung offenbar endgültig.

»Er wollte das Gespräch führen, aber nur seine Lebensgefährtin hatte eine Vollmacht. Also habe ich sie gebeten, sie solle ihren Partner schriftlich bevollmächtigen, mit uns zu sprechen, und habe das Treffen beendet«, sagt Brahimi und fügt hinzu: »Die Basis für ein vertrauensvolles Miteinander war zerstört. Die Bewohnerin konnte am wenigsten dafür.«

Die von dem Gießener nach dem Bruch eingeschaltete Heimaufsicht bestätigte gegenüber der Wetterauer Zeitung lediglich, dass bei einer Kontrolle im Rosengarten Mängel festgestellt worden sind. Welcher Art, wird nicht mitgeteilt. »Das Heim muss nun innerhalb von vier bis sechs Wochen die Mängel abstellen«, schildert Bärbel Schmidt, Mitarbeiterin des Fachbereichs Verwaltung, den weiteren Ablauf. Passiert das wiederholt nicht, besteht die Möglichkeit einer Anordnung, die mit einer Gebühr von bis zu 3000 Euro verbunden sei. Die schärfste Sanktion sei eine sogenannte Betriebsuntersagung - die Schließung. Dass sie bisher noch keine Nachricht vom Seniorenheim Rosengarten bekommen hat, findet Bärbel Schmidt nicht ungewöhnlich. »Der Fall ist ganz frisch«, sagt sie, »die müssen die Verbesserungen ja auch erstmal organisieren.«

Bemängelt habe die Heimaufsicht, so die Heimleitung, unter anderem vereinzelte schmutzige Stellen und Geruch in den Toiletten.

»Unsere Aufgabe ist es, uns um alte und kranke Menschen zu kümmern«, sagt Brahimi. »Dass solche Mängel auftreten, wo 100 Menschen gepflegt werden, ist nicht immer zu vermeiden.«

Ein Problem seien auch fehlende Bilder an den Wänden gewesen. Brahimi muss schmunzeln, bevor er sagt: »Von Schönheit wird man nicht satt.« Die Heimaufsicht dürfe nicht nur die Theorie, sondern müsse auch die Praxis sehen: »Nicht jeder legt Wert auf Bilder.«

Doch er sei froh, dass die Heimaufsicht da war - »auch wenn sie wegen der Anzeige dieser Familie wohl etwas finden musste«. Evelin Hasselberg ergänzt: »Dabei hatten wir erst Mitte September den Medizinischen Dienst der Krankenkasse zur Kontrolle im Haus und haben dort mit ›Gut‹ abgeschnitten.«

Quelle: http://www.giessener-allgemeine.de, http://www.wetterauer-zeitung.de, 03.11.2010 - Mit freundlicher Genehmigung der Redaktionen