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Autor Thema: Projekt "Schattenmann" - Pflegekräfte in der Rolle eines Bewohners  (Gelesen 5311 mal)
admin
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« am: 14. Juni 2013, 01:07 »

Zitat
Experiment im Pflegeheim

Beim Projekt „Schattenmann“ schlüpfen Mitarbeiter des Stiftungsdorfs Fichtenhof für kurze Zeit in die Rolle eines Bewohners. So können sie besser verstehen, wie Menschen mit Handicaps den Alltag in der Bremer Heimstiftung erleben. Gestern saß die Psychologin Alexandra Geib im Rollstuhl, je eineinhalb Kilo an den Armen sowie Vaseline auf der Brille. Ein Selbstversuch, der sie an Grenzen führte, ihr aber auch neue Erkenntnisse brachte.

VON IRIS MESSERSCHMIDT


Bremen. Kurz nach dem Frühstück schlummerte die 37-Jährige im Rollstuhl einfach weg. „Der Impuls, immer wieder eine Bewegung zu machen, war plötzlich nicht mehr da. Ich war müde, alles war so ruhig und entspannt – ich war eine Bewohnerin unter Gleichgesinnten.“ Alexandra Geib, die als Psychologin in der Gerontopsychiatrie des Stiftungsdorfes Fichtenhof arbeitet, wirkt auch gegen 10 Uhr noch leicht müde. Seit zwei Stunden sitzt sie im Rollstuhl, hat jeweils 1,5 Kilogramm Gewichte an den Unterarmen und Vaseline auf der Brille. „Es ist deutlich anstrengender, als ich es mir vorgestellt habe. Mir tun jetzt schon die Knochen weh.“ Dabei hat sie noch zwei Stunden vor sich – im Projekt „Schattenmann“, das den Mitarbeitern der Vegesacker Einrichtung helfen soll, die Bewohner besser zu verstehen.

„Der Perspektivwechsel soll ,die Schattenmänner’ dazu anregen, noch einmal einen Blick auf die eigene Rolle im System Pflegealltag zu werfen“, erklärt Pflegedienstleiterin Meike Fiorucci. Während des Projektes schlüpfen Mitarbeiter für eine begrenzte Zeit – ein paar Stunden, eine Nacht, in Ausnahmefällen ein ganzes Wochenende – in die Rolle eines Bewohners. Meike Fiorucci erzählt, dass das Projekt in Frankfurt ins Leben gerufen worden sei. „Ich fand diese Idee gut, wollte allerdings gleichzeitig, dass sich die Mitarbeiter auch fragen: ,Bin ich als Mitarbeiter in der Pflege am richtigen Platz?’“.

Schon beim ersten Versuch wurde klar: „Man überschätzt sich schnell selbst“, berichtet Fiorucci. Acht Stunden mit gleich mehreren, wenn auch nachgemachten, Handicaps schaffe kaum ein Mitarbeiter. So macht die Pflegedienstleiterin bereits in den Vorgesprächen deutlich: „Besser nur vier bis sechs Stunden und nicht gleich mehrere Handicaps auf einmal.“

Alexandra Geib kann diesen Rat nach zwei Stunden Selbstversuch gut nachvollziehen. „Ich habe mir schon notiert, dass die Plakate und Infoblätter mit größeren Buchstaben gedruckt werden müssen. Die Sehbehinderung durch die Vaseline lässt mir nicht viel Spielraum.“

Gerade sitzt sie im kleinen Aufenthaltsraum mit angeschlossener, eigener Küche. Der Geruch von Hühnerbrühe zieht durch den Raum. „Einige Bewohner haben mich heute morgen gar nicht erkannt“, erzählt die Psychologin. Das habe ihr aber die Situation sehr erleichtert, „ich fühlte mich sofort angenommen, war gleich an Gesprächen und Diskussionen beteiligt, wurde wie ein Bewohner behandelt, wurde geduzt und habe auch jederzeit Hilfestellungen bekommen.“ Die 81-jährige Bewohnerin Margarete Rebers hat die Psychologin jedoch gleich erkannt: „Im ersten Moment war ich heute Morgen zwar überrascht, Alexandra Geib im Rollstuhl zu sehen. Dass sie versucht, sich in die Rolle der Bewohner zu versetzen, finde ich aber gut“. sagt sie. „Das gibt auch mir das Gefühl, ernst genommen zu werden.“

Ernst nimmt Alexandra Geib ihre Rolle auf jeden Fall. Die zwangsweise Ruhe und Entschleunigung durch den Rollstuhl und die weiteren Handicaps setzen ihr zu. Die Psychologin hat inzwischen gemerkt, dass ihre Begleitpersonen unbewusst das Tempo vorgeben – vor ihr stehend, „mit Blick auf den Bauchnabel“, untereinander reden oder das Ende des Gesprächs mit ihr einfach bestimmen. „Und ich bemerke, dass meine Ungeduld wächst – weil ich manche Dinge nicht einfach so und schnell erledigen kann.“

Dieser Perspektivwechsel vom Pfleger zum Bewohner ist es, der der Einrichtung in Bremen-Nord dabei helfen soll, mögliche Probleme in der täglichen Arbeit besser zu erkennen und gegebenenfalls zu lösen. „Wenn es nach mir geht, sollte sich dieses Projekt bei uns etablieren“, blickt Pflegedienstleiterin Fiorucci schon in die Zukunft. Das Interesse der Heim-Mitarbeiter, daran teilzunehmen, sei auf jeden Fall groß.

Einmal im Monat gibt es derzeit solch einen Perspektivwechsel – und das schon jetzt mit positiver Resonanz. So wurde aus anderen Einrichtungen der Bremer Heimstiftung bereits Interesse bekundet, das Projekt „Schattenmann“ aufzugreifen. Meike Fiorucci: „Was mich ebenfalls sehr freut, ist die Tatsache, dass eine unserer Pflegeschülerinnen, die dieses Projekt mitgemacht hat, schon in der Pflegeschule darauf angesprochen wird.“

Quelle: www.weser-kurier.de, 13.06.2013
« Letzte Änderung: 14. Juni 2013, 01:16 von admin » Gespeichert

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