Sehr geehrte Mitglieder der Sozialdeputation, sehr geehrte Abgeordnete der Bürgerschaft Bremens.
Wie wir erfuhren zeichnen Sie für das Bremische Wohn- und Betreuungsgesetz (BremWoBeG) Mit-Verantwortung, das auf der Sitzung der Sozialdeputation am Donnerstag den 23.02.2017 beschlossen werden soll.
Nachdrücklich möchten wir Sie bitten über die Nachtdienstbesetzung nochmals ernsthaft nachzudenken. Die im BremWoBeG vorgesehene Mindestbesetzung der Nachtdienste mit nur einer Pflegekraft für bis zu 50 BewohnerInnen ist ein Zustand, den es in deutschen Pflegeheimen nicht geben dürfte. Der Pflege-Selbsthilfeverband e.V., eine bundesweite Initiative für menschenwürdige Pflege, fordert einen Mindestpersonalschlüssel von 1: 30 für den Nachtdienst und begründet diese Forderung unter anderem mit diesem
Notruf: http://nachtdienst-soforthilfe.de/notruf-an-alle-verantwortungstraeger/ Uns würde interessieren, wer konkret namentlich hinter dieser Meinung (§ 7 Abs. 3 des BremWoBeG) steht: „In den Nachtdiensten ist eine geringere Fachkraftbeteiligung erforderlich, als am Tage. Planbare Fachkrafttätigkeiten können und sollen im Tagdienst vorgenommen werden, nachts ist die Beteiligung einer Fachkraft nur bei unvorhersehbaren Ereignissen und in Notfällen erforderlich. Es wird daher als ausreichend angesehen, wenn in einer Einrichtung nachts eine Fachkraft anwesend ist. Bei besonders großen Einrichtungen mit zeitaufwändigen Wegen zwischen den Wohnbereichen kann die zuständige Behörde mehr als eine Fachkraft fordern.“ Das ist eine Behauptung hinter der alleine der Blick auf die Kosten steckt. Risiken und Gefahren, denen die Betroffenen ausgesetzt sind, können jedenfalls nicht bedacht worden sein.
Nicht nur unser Selbsthilfeverein auch die Pflegewissenschaft und ver.di halten die übliche Besetzung der Nachtdienste (1:50 entspricht dem ungeschriebenem Standard deutschlandweit) für unmenschlich,gefährlich, verantwortungslos!!! http://nachtdienst-soforthilfe.de/studie-bestaetigt-hochgradige-gefaehrlichkeit-der-nachtdienstbesetzung/
Bisher ist Bayern das einzige Bundesland, indem die Politik der Gefährlichkeit bisheriger Nachtdienstbesetzung Rechnung trägt. Dort hat sich die Politik gegen den Widerstand der Leistungsanbieter-Lobby durchgesetzt und eine Mindestschlüssel von 1:30 festgelegt, wenn auch leider noch mit vielen Schlupflöchern. In anderen Bundesländern tut man sich hingegen schwer, wie Sie u.a. diesem Bericht entnehmen können: http://nachtdienst-soforthilfe.de/ausgerechnet-thomas-klie-spricht-sich-gegen-mindesstandards-fuer-den-nachtdienst-aus/
Sind Sie tatsächlich alle der Ansicht, dass eine Pflegekraft in der Lage sein kann bis zu 50 gebrechliche alte, verwirrte, kranke, nachtaktive und sterbende Menschen auch nur annähernd gerecht zu werden? Jeder der selbst einmal in einer hilflosen Lage war, eine schwere Krankheit hatte oder der einen Angehörigen in der letzten Phase des Lebens bis zum Tod begleitet hat, kann sich vorstellen, dass hier große Ängste vorherrschen. Vor allem Nachts, wenn es keine Ablenkung gibt und niemand in der Nähe ist, der Trost spendet. Es sind nicht zuletzt Ängste, Ausweglosigkeit, Einsamkeit, Gefühle des Verlassen-worden-seins etc. die alte Menschen um den Schlaf, ja sogar um den Verstand bringt. Anstelle menschlicher Zuwendung werden Medikamente verabreicht. Sedativa, Antidepressiva, Neuroleptika und andere Psychopharmaka. Eine Nachtdienstbesetzung von 1:50 ist überhaupt nur möglich, weil es üblich ist, HeimbewohnerInnen medikamentös so einzustellen, dass sie ruhe geben und liegen bleiben. Wir reden hier von unseren Eltern und Großeltern, also von der Generation, die zu unserem Wohlergehen beigetragen hat, in Zeiten als dies noch schwieriger war als heute. Wir reden hier von Menschen die am Ende ihres Lebens angekommen sind, für die das Heim die letzte Wohnstadt ist. Also von Menschen die genau so viel Hilfe und Begleitung brauchen, wie Krebskranke im Endstadium. Und wir werden alle alt.
Bitte denken Sie darüber nach und beantragen Sie eine Neuverhandlung des § 7 (3).
Sollte das BremWoBeG mit der Nachtdienstvorgabe von 1: 50 am Donnerstag mehrheitlich abgesegnet werden, werden wir das neue Gesetz in Bremen als ein Beispiel für strukturelle Gewalt auf unserer Sonderseite: www.nachtdienst-soforthilfe.de herausstellen. Abgeordnete, die unsere Bedenken teilen und dagegen gestimmt haben, können wir gerne auf dieser Seite hervorheben.
Nicht zuletzt durch oben stehenden Einspruch des Pflege-SHV wurde die für den 24.02.2017 geplante Verabschiedung des BremWoBe kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen, wie unter anderem die taz berichtet Wenn auch der Pflege-SHV namentlich nicht erwähnt wird, so bezieht sich der Artikel doch in erster Linie auf die oben stehende Eingabe. Vor allem jedoch gebührt dafür Reinhard Leopold dank, www.heimmitwirkung.de, der sofort reagiert und nicht locker gelassen hat. Ohne seinen Aufruf hätte ich von diesem Gesetzesvorhaben nicht erfahren. Scheinbar wurde seitens der Landespolitik versucht ganz schnell, Tatsachen zu schaffen ohne Mitwirkung der Betroffenen. Der Pflege-SHV unterstützt ausdrücklich auch die von Leopold und der BIVA ausgeführte Kritik an den kostenlosen Beratungen von Heimen durch Aufsichtsbehörden.
Infos zum Thema Pflege
Pflege-BegutachtungInfoportal der Medizinischen Dienste (MDK) zur Pflege-Begutachtung ab 2017
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