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News: BGH stärkt Verbraucherrechte von Pflegeheimbewohnern

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 am: 13. September 2021, 14:40 
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Don’t Believe the Hype!
Prof. Dr. Martin Müller - TH Rosenheim

Wie steht’s um die Roboter in der Pflege tatsächlich?

Robotischen Systemen für den Einsatz im Pflegeprozess wird das Potential zugesprochen, Arbeitsbelastung bei Pflegekräften und pflegenden Angehörigen zu minimieren, Möglichkeiten der Teilhabe von Pflegebedürftigen zu verbessern und den Arbeitskräftemangel im Gesundheitswesen zu kompensieren. In diesem Kurzvortrag werden die aktuell abzusehenden realistischen Potentiale dieser technischen Lösungen diskutiert, Forschungsbedarfe beschrieben und Bedingungen für Veränderung in der Pflegepraxis anhand aktueller Forschungsprojekte an der TH Rosenheim aufgezeigt.


Vortrag X-Conference 2020
Die X-Conference ist eine Gemeinschaftsveranstaltung der Technischen Hochschule Rosenheim und der TechDivision GmbH


Quelle: https://www.x-conference.de/breakout-sessions/do-not-believe-the-hype.html

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 am: 20. Mai 2021, 01:10 
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Wann bekommen durchgeimpfte Heimbewohner ihre Grundrechte wieder?

BIVA-Pflegeschutzbund fürchtet Rolle rückwärts bei Bewohnerrechten

Bonn. Pflegeheimbewohner sind die Personengruppe mit der höchsten Durchimpfung. Dennoch sind sie weiterhin teils starken Grundrechtseinschränkungen unterworfen - ohne Perspektive auf Lockerungen. Der BIVA-Pflegeschutzbund fürchtet eine dauerhafte „Rolle rückwärts“ in die Zeit, als Heimbewohner noch Insassen waren. In einem Offenen Brief wendet der Verbraucherschutzverein sich mit konkreten Verbesserungsvorschlägen für die Verordnung an den Bundesgesetzgeber.

Bereits Anfang Mai wurden bundesweite Lockerungen für Geimpfte beschlossen. Ausdrücklich ausgenommen davon wurden aber geimpfte Pflegeheimbewohnerinnen und
-bewohner. Für sie gelten weiterhin 16 verschiedene Landesverordnungen, von denen nur wenige den Impfstatus der Bewohner berücksichtigen. Beispielsweise dürfen selbst geimpfte Besucherinnen und Besucher ihre ebenfalls geimpften Angehörigen je nach Landesverordnung nur sehr eingeschränkt sehen. Nach wie vor gibt es vielerorts Besuchszeiten.

„Es hat eine fatale Signalwirkung, Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner trotz Impfschutz weiterhin zu stigmatisieren“, sagt Dr. Manfred Stegger, Vorsitzender des BIVA-Pflegeschutzbundes. Als Hauptrisikogruppe für eine Corona-Erkrankung seien alte Menschen in den vergangenen 14 Monaten vor allem als ‚die Schwächsten der Gesellschaft‘ und als ‚Risikogruppe‘ wahrgenommen worden. Mit Eintreten des Impfschutzes gebe es hierfür keinen Grund mehr. Nach wie vor schreibe man den Pflegebedürftigen aber vor, was sie zu tun und zu lassen haben.

Einer der Gründe für diesen Missstand sei die Arbeitserleichterung für die Heime, die mit den Einschränkungen der Besuchszeiten einhergehen, sagt Stegger. Deshalb sei es Aufgabe des Gesetzgebers, angemessene Lockerungen für die durchgeimpfte Personengruppe verbindlich festzuschreiben. Konkrete Vorschläge bot der BIVA-Pflegeschutzbund aktuell in einem Offenen Brief an.

„Unsere große Sorge ist, dass die Corona-Krise Grundrechtseinschränkungen und Bevormundung wieder salonfähig gemacht hat, die wir eigentlich überwunden hatten“, fürchtet Stegger. Es sei nun an der Zeit, Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner wieder als Menschen mit Freiheitsrechten zu sehen und nicht länger nur als schützenswerte Hilfsbedürftige“, appelliert er an den Gesetzgeber, die Verordnung nachzubessern.

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Weitere Informationen:

Den Offenen Brief an die Parlamentarier des Bundestags finden Sie unter: www.biva.de/dokumente/gesetze/biva-offener_brief_bewohnerrechte.pdf  

Eine Übersicht der aktuell in den einzelnen Bundesländern geltenden Verordnungen und Verfügungen finden Sie unter: www.biva.de/besuchseinschraenkungen-in-alten-und-pflegeheimen-wegen-corona/
Quelle: https://www.biva.de/biva-pflegeschutzbund-fuerchtet-rolle-rueckwaerts-bei-bewohnerrechten/

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 am: 19. Mai 2021, 22:41 
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Verzicht von Familienbesuchen und Ausflügen
Weiter Einschränkungen für Geimpfte in Pflegeheimen

Der Bund hat zahlreiche Grundrechte für Geimpfte per Verordnung wieder hergestellt. In der Praxis von Pflegeeinrichtungen ist das noch nicht überall angekommen.


Von Timo Thalmann  - 17.05.2021, 19:28

Dass sich Geimpfte untereinander ohne Einschränkungen treffen können und von verschiedenen Quarantäneregeln befreit sind, regelt seit 9. Mai eine Verordnung des Bundes. Doch für die vielfach schon seit längerem geimpften Bewohner von Pflegeeinrichtungen ist das auch knapp zehn Tage später nicht überall Realität. So berichten es Mitglieder aus den Bewohnerbeiräten einiger Einrichtungen. Dokumentiert sind auch Fälle, in denen jeder Aufenthalt außerhalb der Heime weiterhin mit Quarantäne bei der Rückkehr verbunden ist: "Zehn Tage lang darf die Mahlzeit nicht gemeinsam mit den anderen Bewohnern im Speisesaal eingenommen werden und ebenfalls ist die Teilnahme am Gruppenangebot nicht zulässig", schreibt eine Angehörige. Die Konsequenz: Auf Ausflüge und Familienbesuche beispielsweise über die Feiertage wird von vornherein verzichtet.

"Das Problem ist, dass die Landesregierung die konkrete Regelung etwa der Besuchsrechte fast vollständig den einzelnen Einrichtungen übertragen hat", sagt Reinhard Leopold, Bremer Regionalbeauftragter des Biva-Pflegeschutzbundes, der bundesweit die Interessen der von Pflege betroffenen Menschen vertritt. Der Vorwurf des Biva: Die Heimleitungen schießen aus Unsicherheit über das Ziel hinaus und schränken die Bewohnerrechte willkürlich ein.

Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressort, verweist in solchen Fällen auf die Wohn- und Betreuungsaufsicht. "Wann immer der Eindruck besteht, den Bewohnern werden ihnen zustehende Rechte nicht gewährt, kann man sich an diese zuständige Stelle wenden." Diese prüfe die Umstände und weise Heimleitungen gegebenenfalls darauf hin, wie mehr Freiheiten für die Bewohner umgesetzt werden können.

Das Gesundheitsressort hat unterdessen klargestellt, dass durch die Verordnung des Bundes zahlreiche Einschränkungen aus der Handlungsleitlinie des Gesundheitsamtes für Pflegeeinrichtungen vom Mai 2020 für Geimpfte nicht mehr gelten – zum Beispiel die Quarantäne-Pflichten. Werde die Einrichtung zu privaten Zwecken verlassen, sei eine Absonderung ohnehin nicht vorgesehen. Allerdings würden dann bei Rückkehr Schnelltests empfohlen. Aktuell arbeite man daran, Lockerungen für Pflegeeinrichtungen umzusetzen, die auch die Impfungen der Bewohner berücksichtigten.

Die vom Biva-Pflegeschutzbund geforderten verbindlicheren Vorgaben für die Hausleitungen sind im Entwurf der neuen Corona-Schutzverordnung aber weiterhin nicht vorgesehen. Nach wie vor wird die Ausgestaltung des Besuchskonzeptes an die Heimleitungen übertragen.


Zur Sache

Testpflicht entfällt

Bei allen körpernahen Dienstleistungen sowie beim Einkaufen ist mit dem Wegfall der Bundes-Notbremse auch die Testpflicht entfallen. Darauf hat nach zahlreichen Nachfrage jetzt das Innenressort hingewiesen. Auch genügt dort eine medizinische Maske, also reicht auch die OP-Maske anstelle der FFP2-Maske. In Geschäften, bei denen nur Terminshopping möglich ist, sind je 40 Quadratmeter eine Kundengemeinschaft zugelassen, die aus maximal einem Haushalt plus Begleitperson bestehen darf. Die Vorgabe von zehn Quadratmeter je Kunde gilt bis 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Bei Flächen darüber hinaus sind 20 Quadratmeter je Kunde vorgeschrieben.
Quelle: https://www.weser-kurier.de/bremen/trotz-impfung-wenige-lockerungen-in-den-bremer-pflegeheimen-doc7ftono9tf351idu0p42g

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 am: 01. Mai 2021, 00:50 
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KOMMENTAR zum „Tag der Arbeit“ am 1. Mai 2021
 
Wertschätzung von Pflegekräften? Fehlanzeige!

Manche Arbeitgeber setzen trotz Pflege-Notstand und Pandemie auf Mobbing und Entlassungsdrohung statt Wertschätzung und Mitarbeiter-Pflege. Ziemlich widersinnig, wenn eigentlich Fachkräftemangel herrscht. Aber es hat System - und die Politik schaut zu.

In der aktuellen Studie von Professor Rothgang zur "Pflegepersonalbemessung" wird festgestellt, dass deutlich mehr als 100.000 Kräfte in stationären Pflegeeinrichtungen fehlen. Medien berichten zudem, dass während der Corona-Pandemie mehr als 9.000 Pflegekräfte der Kranken- und in der Altenpflege verloren gegangen sind. Und es flüchten immer mehr Menschen aus der Pflege, weil sie es nicht mehr schaffen oder ertragen. Dagegen helfen auch keine noch so gut gemeinte und teuren Marketing- und Werbeaktionen, um junge Menschen für diesen "so schönen Beruf" anzuwerben!

Profitorientierte Pflege auf Kosten der Betroffenen
Wenn nun einige Arbeitgeber in dieser Situation immer noch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbeuten, schikanieren, mobben und sogar auf dem Klagewege versuchen los zu werden, ist es dringend an der Zeit, dass die Politik nicht mehr tatenlos zusieht. Rendite- und Gewinn-Maximierung im Gesundheits- und Sozialbereich müssen endlich abgeschafft werden. Eine bedarfsgerechte, menschenwürdige Versorgung der pflegebetroffenen Menschen muss statt dessen die höchste Priorität haben.

Was haben bisherige Gesetze und politische Maßnahmen bis heute gebracht?
Bereits 2001 kritisierte die UN Missstände in deutschen Pflegeheimen. Nach zehn Jahren wurde das Mitgliedsland Deutschland nochmals von der UN aufgefordert, endlich zu handeln. "Mit tiefer Besorgnis" nehme man zur Kenntnis, dass die Bundesrepublik "keine ausreichenden Maßnahmen unternommen hat, um die Situation älterer Menschen in Pflegeheimen zu verbessern. "Diese lebten dort wegen Personalkürzungen und unzureichender Beachtung von Pflegestandards "unter unmenschlichen Bedingungen" und erhielten "weiterhin unangemessene Pflege". 2014 gab es sogar einige Verfassungsbeschwerden wegen Missständen in der Pflege. Bremen schnitt sogar in den letzten Jahren im Bundes-Vergleich bei der Pflege und medizinischen Versorgung in ambulanten und stationären Einrichtungen mit am schlechtesten ab (lt. der monatlichen DCS-Statistik bis Ende 2019). Und während der Corona-Pandemie gab es mehr Gewalt in Bremer Pflegeheimen (WK vom 04.04.2021).

Attraktivität und Wertschätzung der Pflege steigern
Der BIVA-Pflegeschutzbund wird seit seiner Gründung 1974 in zunehmendem Maße um Hilfe und Unterstützung bei Problemen und Gewalt in der Pflege gebeten. Nur wenn die Attraktivität der Pflegeberufe insgesamt deutlich verbessert wird, kann und wird sich etwas zum Positiven wenden. Dazu gehört selbstverständlich auch die Wertschätzung und pflegliche Behandlung der Pflegekräfte durch ihre Arbeitgeber.

Die von Anbieterseite immer lauter geforderte Aufhebung der sogenannten Fachkraftquote darf auf keinen Fall zu einem Freibrief werden, um in Ermangelung von Personal zu wenig Fachkräfte einzusetzen. Es bedarf dagegen dringend:

    1. einrichtungsspezifische Personalplanung und verlässlichen Personaleinsatz

    2. regelmäßige Kontrolle und transparente Veröffentlichung aktueller Ist-Personalschlüssel der jeweiligen Pflegeeinrichtung

    3. regelmäßige Kontrolle und transparente Veröffentlichung aktueller Prüfergebnisse vom Medizinischen Dienst, Heimaufsicht und Gesundheitsamt

    4. Garantierung guter pflegerischer Versorgung, durch zuverlässige verbraucherschutzrechtliche Instrumentarien

    5. funktionierende, kurzfristig wirksame Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung vereinbarter Leistungen

    6. unverzügliche, verbindliche Beseitigung von nachgewiesenen Mängeln

    7. wirksamen Whistleblower-Schutz gegen Mobbing, Repressalien und Arbeitsplatzverlust

    8. unabhängiges Beschwerdemanagement, das stärker auf die Bewohner- und Angehörigeninteressen eingeht, z.B. in Form eines Pflegebeauftragten

    9. auf ethischen Grundsätzen basierende, menschenwürdige umgesetzte Pflege

    10. die Eindämmung und konsequente Ahndung von Betrug und Missbrauch durch „schwarze Schafe“ der Branche

Die politisch Verantwortlichen haben in der Corona-Krise gezeigt, dass sie alles tun, damit unser Gesundheits­system nicht zusammenbricht. Auf der anderen Seite haben sie Jahrzehnte zugesehen, wie sich der Personal-Notstand in der Pflege immer dramatischer verschärft hat. Immer wieder wurden Verbesserungen zugesagt, ohne dabei die dafür entscheidenden Maßnahmen zu ergreifen. Rendite darf nicht vor Menschenwürde stehen. Es ist überfällig, den Worten endlich Taten folgen zu lassen!



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 am: 29. April 2021, 20:46 
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Kommerzieller Pflegeheimbetreiber kündigt öffentlich die Überwachung von Betriebsräten durch Privatdetektive an
ver.di: "Neuer Tiefpunkt im Umgang mit Arbeitnehmerrechten"


Berlin, 29.04.2021 - Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert entschieden das Vorgehen der Residenz-Gruppe gegen Betriebsräte in Bremen. Anlass ist die Äußerung des Rechtsanwalts des kommerziellen Pflegeheimbetreibers, der bei einer Anhörung vor dem Bremer Arbeitsgericht ankündigte, Betriebsräte von einer Detektei überwachen zu lassen. Mehrere Teilnehmende der Verhandlung, darunter die ver.di-Gewerkschaftssekretärin Kerstin Bringmann und der Rechtsanwalt Michael Nacken, bestätigen die Äußerungen.

Das zum französischen Orpea-Konzern gehörende Unternehmen scheiterte in erster Instanz damit, die örtliche Betriebsratsvorsitzende und ihre Stellvertreterin fristlos zu kündigen, sie aus der Interessenvertretung auszuschließen bzw. das Gremium komplett aufzulösen. "Statt nach dieser krachenden Niederlage endlich die gesetzliche Mitbestimmung zu achten, geht einer der größten Pflegeheimbetreiber sogar so weit, demokratisch gewählte Beschäftigtenvertreterinnen öffentlich mit Bespitzelung durch Privatdetektive zu drohen. Das ist ein neuer Tiefpunkt im Umgang des Orpea-Konzerns mit Arbeitnehmerrechten", sagte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig ist.

Die Orpea-Gruppe ist mit über 1.100 Einrichtungen in 23 Ländern nach eigenen Angaben europäischer Marktführer in der Altenpflege. Es ist nicht das erste Mal, dass sie in Deutschland durch einen rabiaten Umgang mit Beschäftigtenrechten auffällt. An der ebenfalls zum Konzern gehörenden Celenus Reha-Klinik im thüringischen Bad Langensalza versuchte das Management 2018 ebenfalls, zwei Gewerkschafterinnen fristlos zu kündigen. Diese blieben standhaft, am Ende eines langen Konflikts stellte das Unternehmen die Einschüchterungsversuche ein.

"Offenbar hat Orpea aus diesen Erfahrungen nichts gelernt", sagte Bühler. "Ein Konzern, der hierzulande sein Geschäftsfeld in der Altenpflege betreibt und sich aus Sozialbeiträgen finanziert, muss die demokratischen Rechte seiner Beschäftigten achten. Darauf müssen die Gerichte, aber auch die politisch Verantwortlichen und die Gesellschaft als Ganzes bestehen." Außer mit den Kündigungsbegehren ist das Unternehmen zeitweise auch mit Hausverboten und dem Zurückhalten von Gehaltszahlungen gegen Betriebsräte vorgegangen. Zudem hat es eine "Schadensersatzklage" wegen angeblicher "Rufschädigung" eingereicht. "Für die Rufschädigung von Orpea ist ausschließlich die Unternehmensleitung verantwortlich", stellte Bühler klar. "Sie muss die Bedrohung von Beschäftigten sofort beenden." Der Betriebsrat habe eine Klage wegen der Behinderung von Betriebsratsarbeit eingereicht. Leider dauerten solche Verfahren in Deutschland viel zu lang. "Das muss sich ändern. Es braucht effektive Möglichkeiten, illegale Praktiken zur Behinderung von Betriebsräten juristisch zu stoppen", forderte Bühler mit Blick auf den Gesetzgeber.

Auch international sorgen die Vorgänge in Bremen für Aufsehen. So protestierte der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsverbands für den öffentlichen Dienst (EGÖD), Jan Willem Goudriaan, in einem Schreiben an das Unternehmen gegen die Maßnahmen. "Es sollte sich lieber darauf konzentrieren, die Gesundheitskrise zu managen und eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen, statt gegen Betriebsräte vorzugehen, die die Beschäftigten in diesen schwierigen Zeiten vertreten", erklärte der Gewerkschafter.
Quelle: M e d i e n i n f o r m a t i o n - ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

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 am: 29. April 2021, 19:23 
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Gericht untersagt Kündigung
Pflegeheim scheitert mit Klage gegen zwei Betriebsräte


von Timo Thalmann

Bremen. Der Versuch der Senioren Wohnpark-Weser GmbH, durch eine Klage vor dem Arbeitsgericht Bremen zwei ihrer Gesamtbetriebsräte zu kündigen, ist gescheitert. Das Gericht erteilte dem Vorhaben keine Zustimmung. Auch für die angestrebte Auflösung des Betriebsrates sah das Gericht keine ausreichenden Gründe.

Die Senioren Wohnpark-Weser GmbH aus Weyhe betreibt unter dem Namen Residenz-Gruppe in Nordwestdeutschland 40  Pflegeheime, unter anderem an sechs Standorten in Bremen mit mehr als 400 Pflegeplätzen. Der Gesamtbetriebsrat vertritt rund 2500 Mitarbeiter. Aufgelöst werden sollte der Betriebsrat-Nord, der die Belegschaft von 22 Pflegeheimen vertritt.

Sebastian Hollatz, Geschäftsführer der Senioren Wohnpark-Weser GmbH, hatte dem Gremium „grobe Pflichtverletzungen“ vorgeworfen. Bei den beiden Betriebsräten stand unter anderem der Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs im Raum. Das Unternehmen bezweifelte etwa eine Tätigkeit der für die Betriebsratsarbeit freigestellten Mitarbeiter im Homeoffice. Als Beleg führt es die Log-in-Daten der jeweiligen Laptops an.

Doch das Gericht sah darin keinen ausreichenden Nachweis für die Behauptung, die Betreffenden seien nicht tätig gewesen. Die Arbeitgeberseite kündigte daraufhin noch im Gerichtssaal an, dass künftig eine „lückenlose Überwachung“ der beiden Betriebsräte durch eine Detektei in Erwägung gezogen werde. Auch werde man die nächste Instanz am Landesarbeitsgericht bemühen.

Der Streit zwischen dem Unternehmen und seinen Betriebsräten hatte sich ursprünglich an einem Konflikt über eine Betriebsvereinbarung entzündet, die der Betriebsrat für notwendig hielt, um eine neue Software in das Unternehmen einzuführen. Inzwischen ist die Auseinandersetzung auf vielfache Weise eskaliert. Neben diesem Streit in der Hauptsache gibt es zahlreiche weitere Klagen und Verfahren. So wurden den Betriebsräten zeitweise ein Hausverbot erteilt und Gehaltszahlungen gekürzt.

Die Betroffenen klagen inzwischen ihrerseits wegen systematischen Mobbings durch die Geschäftsleitung. Das Unternehmen wiederum hat den Mitarbeiterinnen gegenüber eine Schadensersatzklage über 150.000 Euro angestrengt, weil durch Äußerungen des Betriebsrates Kunden verloren gegangen seien, die sich gegen eine Pflege in den Einrichtungen der Senioren Wohnpark-Weser GmbH entschieden hätten.
Quelle: https://ezeitung.weser-kurier.de/titles/weserkurier/6372/publications/162465/articles/1342774/12/5

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 am: 27. April 2021, 13:04 
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    Wie lassen sich Pflegende wieder für ihren Beruf begeistern?

    Wertschätzung durch Vorgesetze, Tarifbindung und Zeit für qualitativ hochwertige Pflege seien entscheidende Stellschrauben, um Menschen wieder für Pflegeberufe zu gewinnen, sagte Martin Dichter, Vorsitzender des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe Nordwest am Freitag anlässlich eines Expertenhearings zur Personalbemessung in Bremen. Eingeladen hatte die Bremer Sozialsenatorin.

    Dichter bezog sich damit auf Ergebnisse einer Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen und des SOCIUM der Universität Bremen.

    Passend dazu: Bis zu 170.000 zusätzliche Vollkräfte

    „Mit einem Prämienpflästerchen hier und einer Mindestlohnerhöhung dort ist es eben nicht getan. Wir brauchen deutlich überzeugendere Maßnahmen – z.B. ein Bruttoeinstiegsgehalt von 4000 Euro“, sagte Dichter. Pflegende brauchten eine leistungs- und verantwortungsgerechte Vergütung und gesunde Arbeitsbedingungen. Dichter verweist in diesem Zusammenhang auf die Top-10 der Wiedereinstiegskriterien für Personen, die aus dem Pflegeberuf ausgestiegen sind.

    • Wertschätzung durch Vorgesetzte
    • Zeit für qualitativ hochwertige Pflege
    • Bedarfsorientierte Personalbemessung
    • Sensibilität von Vorgesetzten für Belastungen in der Pflege
    • Tarifbindung
    • Mehr Zeit für menschliche Zuwendung
    • Garantie, an freien Tagen nicht arbeiten zu müssen
    • Betriebliche Interessenvertretung
    • Höheres Grundgehalt
    • Höhere Zulagen für besondere Tätigkeiten


    Reinhard Leopold vom BIVA-Pflegeschutzbund forderte neben einer einrichtungsspezifischen Personalplanung regelmäßige Kontrollen und die Veröffentlichung aktueller Ist-Personalschlüssel sowie eine auf ethischen Grundsätzen basierende, menschenwürdige Pflege. „Es bedarf eines System-Wechsels und einer völligen Neuausrichtung des gesamten Gesundheits- und Pflegebereichs“, so Leopold.
    Quelle: https://www.altenpflege-online.net/artikel/2021_04/2021_04_26_wie_lassen_sich_pflegende_wieder_fuer_ihren_beruf_begeistern

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     am: 14. April 2021, 12:59 
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    Mithilfe von Datenauswertung
    Betrüger im Visier der Krankenkassen

    von Timo Thalmann 18.08.2020

    In Bremen arbeiten die Kassen landesweit zusammen, um Abrechnungsbetrügern auf die Spur zu kommen, unter anderem durch systematische Auswertungen der Daten der Medizinischen Dienste.

    Einen deutlichen Anstieg bei Fällen von Abrechnungsbetrug hat die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) mit Sitz in Hannover für das Jahr 2019 registriert. Bundesweit wurde 476 und damit 55 Prozent mehr Fällen nachgegangen als im Jahr zuvor, wie die Kasse am Montag mitteilte. Als Abrechnungsbetrug gelten zum Beispiel gefälschte Rezepte oder von Ärzten und Therapeuten in Rechnung gestellte Leistungen, die nicht erbracht wurden.

    Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Niedersachsen hat 1623 Betrugsfälle in den Jahren 2018 und 2019 registriert, wie aus einem Bericht der Kasse hervorgeht. Vergleiche zu den Vorjahren macht die niedersächsische AOK dabei nicht. Die AOK für Bremen und Bremerhaven verzeichnet 214 laufende Betrugsfälle für die Jahre 2018 und 2019, die derzeit bearbeitet werden. 2016 und 2017 wurden 207 Fälle bilanziert.

    Einzelfälle können schon zu hohen Schadenssummen führen

    Als ein Fall gewertet wird dabei der Betrug eines einzelnen Gesundheitsanbieters, also beispielsweise eines Pflegedienstes, der nicht erbrachte Leistungen abrechnet. Dabei ist zumeist eine Vielzahl von Patienten und Krankenkassen betroffen, sodass wenige Einzelfälle bereits ausreichen, um zum Teil sechsstellige Schadenssummen nach sich zu ziehen.

    Im Land Bremen arbeiten die aktiven Krankenkassen seit fast 20 Jahren in der „GKV-Prüfgruppe zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ zusammen, um Abrechnungsbetrügern auf die Spur zu kommen. Anlass der Gründung waren freiberufliche Hebammen, die um die Jahrtausendwende systematisch überhöhte Fahrtkosten geltend gemacht hatten, was nur in der Gesamtschau aller zahlenden Krankenkassen auffallen konnte.

    Auch die Staatsanwaltschaft und Polizei sind in dieser Arbeitsgruppe aktiv. Laut AOK-Sprecher Jörn Hons ist diese Kooperation aller Kassen und der Strafverfolgungsbehörden bundesweit einmalig: „Bei bestimmten, mehrere Kassen betreffenden Fällen übernehmen einzelne Kassen die Federführung und bearbeiten die Fälle für die anderen mit“, erläutert er.

    Das bedeute, dass die jeweils federführende Kasse die Strafanzeigen für die anderen Kassen mit stellt, die Zusammenarbeit mit Kripo und Staatsanwaltschaft organisiert und weitere Stellen einbindet, wie etwa die kassenärztliche Vereinigung, die für die niedergelassenen Ärzte die Abrechnung übernimmt. Auch die Schadensregulierung wird so gebündelt geregelt.

    Auf externe Hinweise angewiesen

    Ein grundsätzliches Problem kann die Arbeitsgruppe nicht lösen: Abrechnungsbetrug ist wie Korruption ein Delikt ohne konkret persönlichen Geschädigten. Den Schaden trägt die Gemeinschaft der gesetzlich Versicherten. „Wo Patienten erfunden werden und nicht erbrachte Leistungen abgerechnet werden, sind wir darum auf externe Hinweise angewiesen“, sagt etwa Dina Michels, Chefermittlerin der KKH. Häufig sind es ehemalige Mitarbeiter oder im Bereich der Pflege auch Mitbewerber, die den Kassen entsprechende Informationen geben.

    Die Kassen haben die Möglichkeit, ihre Abrechnungsdaten und die Daten der medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) mit Blick auf Plausibilitäten gemeinsam auszuwerten. Hons berichtet, dass dadurch beispielsweise in Bremen vier Psychotherapeuten aufgefallen sind. Ähnlich wie einige zahnmedizinische Eingriffe müssen Psychotherapien bei den Kassen beantragt und zuvor vom MDK genehmigt werden. „Die Datenauswertung hat ergeben, dass die Zahl der genehmigten und die Zahl der abgerechneten Therapien nicht übereingestimmt hat.“ Allein dadurch sei der Bremer AOK ein Schaden in Höhe von rund 174.000 Euro entstanden.

    Das ist zugleich der Löwenanteil von rund 320.000 Euro, den die AOK für die Jahre 2018 und 2019 als Schadenssumme angibt. In der Zwei-Jahres-Periode davor belief sich der Gesamtschaden der Bremer AOK nach eigenen Angaben auf 490.000 Euro. Darin sei mit 230.000 Euro als größter Posten der Betrugsfall der Nordseepflege in Bremerhaven enthalten, die für mehr als 1000 Patienten über Jahre systematisch überhöhte Abrechnungen geltend gemacht hatte. Die Geschäftsführerin wurde Ende 2016 zu fünf Jahren Haft verurteilt.

    Insgesamt finden die Kassen in der Pflege die meisten Betrugsfälle. Die KKH ordnet in ihrer bundesweiten Erhebung rund die Hälfte der Fälle diesem Bereich zu, ebenso die AOK Niedersachsen. „Dass Pflegedienste inzwischen an der Spitze der Betrugsstatistik stehen, liegt vor allem daran, dass der MDK auch hier inzwischen jährlich die Abrechnungen prüft“, sagt KKH-Ermittlerin Michels.

    Ein weiterer schadensträchtiger Bereich seien Betrugsfälle in Apotheken. Dort werden etwa günstigere Präparate an die Kunden herausgegeben als verschrieben, aber die teure Variante abgerechnet.
    Quelle: https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-betrueger-im-visier-der-krankenkassen-_arid,1928866.html#nfy-reload




    Schwarze Schafe stoppen: Fehlabrechnungen und Abrechnungsbetrug melden! [>>]

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     am: 08. April 2021, 15:04 
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    Gewalt in Bremer Pflegeeinrichtungen:
    „Erschreckende Entwicklung“

    Die Zahlen der angezeigten Gewalttaten in Bremer Pflegeeinrichtungen sind im Coronajahr 2020 stark gestiegen. Experten fordern Reformen.


    von Mahé Crüsemann - taz-Bremen, 08.04.2021

    BREMEN taz | Die Zahl der angezeigten Straftaten in Bremer Pflegeeinrichtungen hat sich 2020 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. 2019 wurden in Pflegeeinrichtungen insgesamt 29 Straftaten im Bereich von Tötungsdelikten, Sexualdelikten sowie Körperverletzung und Freiheitsberaubung angezeigt. 2020 waren es 75 angezeigte Fälle. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der CDU-Fraktion hervor. Zum Hintergrund des Anstiegs lägen allerdings keine Erkenntnisse vor, schreibt der Senat.

    Die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Sigrid Grönert, nennt die Entwicklungen „erschreckend“ und fordert daraufhin die Wiederaufnahme von Regelprüfungen in Pflegeeinrichtungen. Seit dem Herbst seien diese grundsätzlich wieder erlaubt und nun lasse die weitgehende Durchimpfung von Be­woh­ne­r*in­nen der Einrichtungen die Kontrollen auch wieder zu, heißt es in einer Pressemitteilung der CDU-Fraktion.

    „Die Vorstellung man könne mit Regelkontrollen die Situationen in den Pflegeeinrichtungen klären, ist zu kurz gedacht“, sagt Bernd Schneider, Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). „Probleme werden wir so nicht lösen können.“ Schneider plädiert dagegen für einen strukturellen Ansatz: „Die Offenheit von Einrichtungen, also dass Besuch kommt und geht, das ist ein Stück weit auch immer eine soziale Kontrolle“, sagt er. „Es ist Transparenz, die dadurch hergestellt wird.“

    In Coronazeiten sei das natürlich eingeschränkt. Durch den fehlenden Kontakt mit Angehörigen oder Freun­d*in­nen habe auch die Unzufriedenheit der Be­woh­ne­r*in­nen von Pflegeeinrichtungen gerade am Anfang der Pandemie stark zugenommen. Schneider vermutet, dass sich darum mehr beschwert worden sei. Weil mittlerweile viele Heim­be­woh­ne­r*in­nen geimpft seien, sieht er Möglichkeiten für baldige Besuche: „Ich bin sicher, dass dann die Zahlen im nächsten Jahr nicht mehr so stark steigen werden.“

    Seit 2017 sind Pflegeeinrichtungen in Bremen laut Gesetz dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Nut­ze­r*in­nen zu treffen. In Zusammenarbeit mit dem Nut­ze­r*in­nen­bei­rat muss jede Einrichtung ein Gewaltpräventionskonzept erstellen und ei­ne*n Prä­ven­ti­ons­be­auf­trag­te*n ernennen. Ende März gab es hierzu noch einmal eine frische Handreichung der Sozialbehörde, die Einrichtungen dabei unterstützen sollte, „frühzeitig einen Rahmen zur Vermeidung von struktureller und personeller Gewalt zu entwickeln“, wie es von der Behörde heißt.

    „Es reicht bestimmt nicht, wenn es nur Beauftragte in den Einrichtungen gibt“, sagt Stefan Görres. Der promovierte Gesundheitswissenschaftler ist Professor an der Uni Bremen und Abteilungsleiter der Abteilung für Interdisziplinäre Alterns- und Pflegeforschung. Er hält die steigenden Zahlen bei den Anzeigen von Gewalttaten für das Symptom eines tiefer gehenden Problems: „Es gibt sehr viele unterschiedliche Gründe, warum es zu Gewalt kommt“, sagt er und nennt Faktoren wie Stress, Überforderung und Unterbesetzung.

    Gewalt bedeutet nicht gleich körperliche Gewalt. Auch psychische Gewalt, unangemessene Versorgung mit Essen oder das Verweigern von Hilfe gilt als gewaltvoll.

    Besonders gravierend und besonders schwer zu verhindern ist strukturelle Gewalt. „Das ist Gewalt durch die eigene Umgebung“, sagt Stefan Görres. Sind die institutionellen Rahmenbedingungen so geschaffen, dass individuelle Bedürfnisse nicht erfüllt werden, scheint das Problem also tatsächlich tiefer zu liegen.

    Laut dem Pflegewissenschaftler müssen daher komplexere Lösungen her: „Die Frage ist, ob die Pflegeheime noch die richtige Antwort sind“, sagt Görres. „Diese großen Einrichtungen mit ihrer starren Organisation sind selbst schon Gewalt.“ Prävention sei immer gut, sagt er. Man müsse aber woanders anfangen, um das Problem langfristiger in den Griff zu bekommen: „Man braucht gut ausgebildetes Personal und davon genug.“ Wenn das gewährleistet sei, dann erwarte er professionelles Verhalten und da habe Gewalt keinen Platz.

    Eklatanter Mangel

    Auch Heidrun Pundt, Gesundheits- und Krankenpflegerin und Vorstandsmitglied des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe Nordwest, sieht ein strukturelles Probleme bei der Pflege: „Es bedarf dringend einer umfangreichen Reform“, sagt sie. Der Mangel an Fachpflege sei jetzt schon eklatant.

    Durch die Coronapandemie sei das nicht besser geworden: „Da ist einfach diese Pandemie auf eine Versorgungssituation getroffen, die schon vorher nicht an den Versorgungsbedürfnissen der Betroffenen orientiert war“, sagt Pundt. Ihre Forderung: Es müsse eine klare Sicht auf die Dinge her. „Für das 21. Jahrhundert ist unser Pflegesystem nicht ausgerichtet.“ Jetzt, in der Coronakrise werde beispielsweise deutlich, dass im Falle einer Pandemie keinerlei Strategien vorlägen. Um in Zukunft gute Pflege gewährleisten zu können fordert sie darum: „Wir müssen hin zu einer Analyse von Bedürfnissen von Langzeitzuversorgenden.“

    Stefan Görres wünscht sich mehr Weitblick der Politik. Auch der Wissenschaftler hält eine Reform des Pflege­systems für notwendig, „angefangen bei der Architektur“, wie er sagt. Man müsse sich fragen: „Ist das, was wir da auf die grüne Wiese bauen noch angemessen für die Menschen, die hier den vielleicht letzten Abschnitt ihres Lebens verbringen werden?“
    Quelle: https://taz.de/Gewalt-in-Bremer-Pflegeeinrichtungen/!5759096/ - 08.04.2021

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     am: 08. April 2021, 15:02 
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    Gewalt in Bremer Pflegeeinrichtungen:
    „Erschreckende Entwicklung“

    Die Zahlen der angezeigten Gewalttaten in Bremer Pflegeeinrichtungen sind im Coronajahr 2020 stark gestiegen. Experten fordern Reformen.


    von Mahé Crüsemann - taz-Bremen, 08.04.2021

    BREMEN taz | Die Zahl der angezeigten Straftaten in Bremer Pflegeeinrichtungen hat sich 2020 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. 2019 wurden in Pflegeeinrichtungen insgesamt 29 Straftaten im Bereich von Tötungsdelikten, Sexualdelikten sowie Körperverletzung und Freiheitsberaubung angezeigt. 2020 waren es 75 angezeigte Fälle. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der CDU-Fraktion hervor. Zum Hintergrund des Anstiegs lägen allerdings keine Erkenntnisse vor, schreibt der Senat.

    Die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Sigrid Grönert, nennt die Entwicklungen „erschreckend“ und fordert daraufhin die Wiederaufnahme von Regelprüfungen in Pflegeeinrichtungen. Seit dem Herbst seien diese grundsätzlich wieder erlaubt und nun lasse die weitgehende Durchimpfung von Be­woh­ne­r*in­nen der Einrichtungen die Kontrollen auch wieder zu, heißt es in einer Pressemitteilung der CDU-Fraktion.

    „Die Vorstellung man könne mit Regelkontrollen die Situationen in den Pflegeeinrichtungen klären, ist zu kurz gedacht“, sagt Bernd Schneider, Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). „Probleme werden wir so nicht lösen können.“ Schneider plädiert dagegen für einen strukturellen Ansatz: „Die Offenheit von Einrichtungen, also dass Besuch kommt und geht, das ist ein Stück weit auch immer eine soziale Kontrolle“, sagt er. „Es ist Transparenz, die dadurch hergestellt wird.“

    In Coronazeiten sei das natürlich eingeschränkt. Durch den fehlenden Kontakt mit Angehörigen oder Freun­d*in­nen habe auch die Unzufriedenheit der Be­woh­ne­r*in­nen von Pflegeeinrichtungen gerade am Anfang der Pandemie stark zugenommen. Schneider vermutet, dass sich darum mehr beschwert worden sei. Weil mittlerweile viele Heim­be­woh­ne­r*in­nen geimpft seien, sieht er Möglichkeiten für baldige Besuche: „Ich bin sicher, dass dann die Zahlen im nächsten Jahr nicht mehr so stark steigen werden.“

    Seit 2017 sind Pflegeeinrichtungen in Bremen laut Gesetz dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Nut­ze­r*in­nen zu treffen. In Zusammenarbeit mit dem Nut­ze­r*in­nen­bei­rat muss jede Einrichtung ein Gewaltpräventionskonzept erstellen und ei­ne*n Prä­ven­ti­ons­be­auf­trag­te*n ernennen. Ende März gab es hierzu noch einmal eine frische Handreichung der Sozialbehörde, die Einrichtungen dabei unterstützen sollte, „frühzeitig einen Rahmen zur Vermeidung von struktureller und personeller Gewalt zu entwickeln“, wie es von der Behörde heißt.

    „Es reicht bestimmt nicht, wenn es nur Beauftragte in den Einrichtungen gibt“, sagt Stefan Görres. Der promovierte Gesundheitswissenschaftler ist Professor an der Uni Bremen und Abteilungsleiter der Abteilung für Interdisziplinäre Alterns- und Pflegeforschung. Er hält die steigenden Zahlen bei den Anzeigen von Gewalttaten für das Symptom eines tiefer gehenden Problems: „Es gibt sehr viele unterschiedliche Gründe, warum es zu Gewalt kommt“, sagt er und nennt Faktoren wie Stress, Überforderung und Unterbesetzung.

    Gewalt bedeutet nicht gleich körperliche Gewalt. Auch psychische Gewalt, unangemessene Versorgung mit Essen oder das Verweigern von Hilfe gilt als gewaltvoll.

    Besonders gravierend und besonders schwer zu verhindern ist strukturelle Gewalt. „Das ist Gewalt durch die eigene Umgebung“, sagt Stefan Görres. Sind die institutionellen Rahmenbedingungen so geschaffen, dass individuelle Bedürfnisse nicht erfüllt werden, scheint das Problem also tatsächlich tiefer zu liegen.

    Laut dem Pflegewissenschaftler müssen daher komplexere Lösungen her: „Die Frage ist, ob die Pflegeheime noch die richtige Antwort sind“, sagt Görres. „Diese großen Einrichtungen mit ihrer starren Organisation sind selbst schon Gewalt.“ Prävention sei immer gut, sagt er. Man müsse aber woanders anfangen, um das Problem langfristiger in den Griff zu bekommen: „Man braucht gut ausgebildetes Personal und davon genug.“ Wenn das gewährleistet sei, dann erwarte er professionelles Verhalten und da habe Gewalt keinen Platz.

    Eklatanter Mangel

    Auch Heidrun Pundt, Gesundheits- und Krankenpflegerin und Vorstandsmitglied des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe Nordwest, sieht ein strukturelles Probleme bei der Pflege: „Es bedarf dringend einer umfangreichen Reform“, sagt sie. Der Mangel an Fachpflege sei jetzt schon eklatant.

    Durch die Coronapandemie sei das nicht besser geworden: „Da ist einfach diese Pandemie auf eine Versorgungssituation getroffen, die schon vorher nicht an den Versorgungsbedürfnissen der Betroffenen orientiert war“, sagt Pundt. Ihre Forderung: Es müsse eine klare Sicht auf die Dinge her. „Für das 21. Jahrhundert ist unser Pflegesystem nicht ausgerichtet.“ Jetzt, in der Coronakrise werde beispielsweise deutlich, dass im Falle einer Pandemie keinerlei Strategien vorlägen. Um in Zukunft gute Pflege gewährleisten zu können fordert sie darum: „Wir müssen hin zu einer Analyse von Bedürfnissen von Langzeitzuversorgenden.“

    Stefan Görres wünscht sich mehr Weitblick der Politik. Auch der Wissenschaftler hält eine Reform des Pflege­systems für notwendig, „angefangen bei der Architektur“, wie er sagt. Man müsse sich fragen: „Ist das, was wir da auf die grüne Wiese bauen noch angemessen für die Menschen, die hier den vielleicht letzten Abschnitt ihres Lebens verbringen werden?“
    Quelle: https://taz.de/Gewalt-in-Bremer-Pflegeeinrichtungen/!5759096/ - 08.04.2021

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